Beschreibung
In der vorliegenden Studie wird die communis opinio der heutigen Forschung, der die hellenistische Dichtung subjektiv, spielerisch, künstlich, ironisch, sentimental usw. zu sein scheint, auf verschiedene geistesgeschichtliche Gründe zurückgeführt. Die Autorin differenziert zwischen den Begründungsebenen der Erkenntnistheorie, der Ästhetik und der Geschichtsphilosophie und deckt als Basis der communis opinio die kontradiktorischen Gegensätze von Gefühl und Verstand, Natur und Kunst sowie Klassik und Hellenismus auf. Diese meist nur implizit vorausgesetzten Antithesen stammen, wie sie nachweist, aus der empiristischen, genieästhetischen und historistischen Tradition des 18. Jahrhunderts und wurden insbesondere durch die Rede “De genio saeculi Ptolemaeorum” des Göttinger Altphilologen C.G. Heyne und die Preisschrift “Ursachen des gesunknen Geschmacks bei den verschiednen Völkern, da er geblühet” des mit Heyne befreundeten J.G. Herder in die Hellenismusforschung eingeführt. Die Autorin erklärt diese beiden Texte präzise. Indem sie die Thesen ihrer Verfasser vor den kontrastierenden Hintergrund der Thesen fast sämtlicher Kallimachos-Editoren des 15. bis 18. Jahrhunderts stellt, belegt sie außerdem, daß die Forschung seit Heyne und Herder tatsächlich neue Kategorien zur Deutung des Hellenismus besitzt – die sie cum grano salis noch heute benutzt. Die Frage nach den hermeneutischen Konsequenzen dieser Einsicht wird im Schlußwort gestellt. Die Autorin Irene Polke, Dr. phil., geb. 1964. Studium der Klassischen Philologie und der Theologie in Mainz und Tübingen, Promotion in Marburg, Referendariat in Würzburg und München. Stipendiatin des Cusanuswerks, Mitglied der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts.