Beschreibung
Der Sammelband untersucht Ausmaß und Bedeutung der kulturellen und literarischen Bibelrezeption vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Die Bibel erscheint als eine Schatzkammer an literarischen Gattungen, Vorstellungen, Bildern, Figuren und Ideen, die Inhalt und Ausdrucksgebärden der Literatur bis ins 20. Jahrhundert nachhaltig bestimmt haben. Im Spannungsfeld von religiös-gläubiger Bibelaneignung und freiem poetischem Spiel mit den biblischen Modellen erweist sich die Heilige Schrift als ein kulturelles Fundament. Nicht die stofflichen Beziehungen, sondern die Bibel als Grund und Folie für die Versicherung der eigenen Dignität der Literatur und für die Bestimmung ihrer kulturellen Lergitimation, sind hier entscheidend. Vorstellungsmuster, welche die Autonomieästhetik der Goethezeit begründeten, werden z.B. in ihrer theologischen Vorprägung sichtbar gemacht. Die in der Gegenwartsliteratur vertretene „Poetik der Anwesenheit“ ist bezeichnend für die Renaissance einer theologisch-religiösen Bibelrezeption und steht im Kontrast zur postmodernen Zitationspraxis und ihrer Ästhetik. Die Darstellung der verschiedenen Aneignungsverfahren biblischer Muster (Intertextualität, Zitat, poetische Exegese) und ihrer ästhetisch-theologischen Voraussetzungen wird ergänzt durch Überlegungen zum Verhältnis von Theologie und Poesie, die einen Betrag zu einem bisher nur sporadisch geführten interdisziplinären Gespräch zwischen Theologen und Literaturwissenschaftlern liefern sollen. INHALT Einleitung: B. Knauer – S. Doering: Aufgeklärte Bibellektüre. Johann Gottlob Marezolls „Karikaturen“ (1788) – N. Jückstock: Biblische und theologische Wurzeln des Topos „Verhüllte Wahrheit“ – P. Ph. Riedl: „Hört den Antichrist erschallen…“. Die Bibel als Kampfschrift in der antinapoleonischen Propaganda – B. Knauer: Jeremias Gotthelfs „Geld und Geist oder Die Versöhnung“. Die Bibel durch das Leben gelesen – H. Mojem: „Der Ungläubige“. Zu Heinrich Heines Umgang mit der Bibel nebst einem Seitenblick auf Zinzendorf – A. J. Davidson: Vom theologischen zum poetologischen Gleichnis. Rilkes Version des verlorenen Sohnes in den „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ – M. Kohlhäufl: „Ich bin’s“ – Die funktionale Einarbeitung der Bibelübersetzung Luthers, Martin Bubers und Franz Rosenzweigs in Thomas Manns „Joseph und sein Brüder“ – H. Schnur: Johann Georg Hamann und Botho Strauß. Über eine Poetik der Anwesenheit Die Herausgeberin Bettina Knauer ist Wissenschaftliche Assistentin am Institut für deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität Nürnberg-Erlangen. Veröffentlichungen zu Clemens Brentano („Allegorische Texturen“, 1995), E.T.A. Hoffmann, Ilse Aichinger