Beschreibung
Die Kategorie eines kleinen Dramas zielt weder auf eine ‘weibliche’ Dramatik im Sinne einer quantitativen oder substantiellen Behauptung noch auf eine neue Theorie des modernen Dramas ab. Das Kleine des Dramas lehnt sich zwar begrifflich an die ‘kleine Literatur’ von Deleuze/Guattari an, ist aber bewußt mehrdeutig aufgefaßt: so mehrdeutig, daß sie von den untersuchten Stücken, die größtenteils als unspielbar gelten, etwas von der inneren Dramaturgie und der inneren Struktur deutlich machen kann – das, was sich der Repräsentation als zentralem theatralischen Modus widersetzt. In einem Wechsel von Mikrolektüre und theoretischer Reflexion wird versucht nachzuzeichnen, wie sich das Kleine in Jarrys “Ubu Roi”, in Lasker-Schülers “IchundIch”, in Fleißers “Fegefeuer in Ingolstadt” und in Djuna Barnes’ “Antiphon” jeweils anders realisiert. Als das Nicht-Ausgestaltete eines Textes, als Triebfluß, als Dimensionsverschiebung, als gewaltsame Sprachverstellung oder melancholische Pose erweist sich das Kleine als Ausdruck einer singulären Subjektivität, die vom Text zwar hervorgebracht, von ihm aber nicht gesagt, nicht dargestellt werden kann: ein “Fehl am Platz” in der symbolischen Demonstration des Theaters, das nur durch die Brüchigkeit des Symbolischen, des Sicht- und Sagbaren überhaupt wahrnehmbar ist. Die Autorin Silvia Henke, geb. 1962, Studium der Germanistik, Philosophie und Romanistik in Basel, ist seit 1990 wissenschaftliche Assistentin für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Basel, wo sie mit der vorliegenden Arbeit promoviert hat.