Beschreibung
Walter Benjamin kommt das Verdienst zu, den Flaneur als zentrale Figur der Moderne entziffert zu haben; seine Ausführungen bleiben jedoch in einer geschichtsphilosophischen Perspektive stecken. Um diese aufzubrechen und so den Facettenreichtum des Flaneurs als historischer wie literarischer Erscheinung zu entdecken, begreift die vorliegende Arbeit den Flaneur ausgehend von der Minimaldefinition, ziel- und richtungslos durch die Großstadt zu streifen, als ein ,offenes Paradigma’, dem in den jeweiligen Texten und historischen Kontexten differente Funktionen zugewiesen werden. Im Zentrum des Buches steht die Analyse der Funktionen, die dem Flaneur als literarische Figur bei verschiedenen Autoren (Baudelaire, Walser, Rilke, Apollinaire, Hessel, Kracauer) und in unterschiedlichen Epochen (Naturalismus, Expressionismus, Surrealismus) zukommen: Der Flaneur als Modell einer Ich-Konstitution, wie sie unter den Bedingungen der Moderne zu haben ist, als Analytiker des Modernisierungsprozesses, als Chronist städtischen Lebens, als Archäologe der Stadtgeschichte und – so die selbstreflexive Zuspitzung – als Poet, an und mit dem Entwürfe ästhetischer Moderne entwickelt werden. Der Autor Harald Neumeyer studierte Germanistik, Philosophie, Romanistik und Politik in Heidelberg, Göttingen und Freiburg, wo er 1996 mit der vorliegenden Arbeit promovierte. Seit 1997 ist er als Lehrbeauftragter für Vergleichende Literatur und Kulturwissenschaft an der Universität Gießen tätig.