Beschreibung
Die Perspektive eines bloß national oder einsprachlich verstandenen Literaturbegriffs wird durch die Realität der interkulturellen Literatur herausgefordert. Sie kann als eine unvorhergesehene Erweiterung verstanden werden, die dennoch an Bewegungen der klassischen sowie der späten Moderne anknüpft. Die Unschärfe des Grenzen überschreitenden Kulturbegriffs zwingt zwar zu Präzisierungen, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich längst eine Forschung in diesem Bereich etabliert hat, die für den deutschsprachigen Raum auf den Zeitabschnitt ab den 1950ern fokussiert. Es ist in dieser Hinsicht nicht nötig, das Rad immer wieder neu zu erfinden, sondern wünschenswert, vom erreichten Forschungsstand ausgehend den Blick weiter zu schärfen. Der hier vorliegende Versuch, aus verschiedenen Blickrichtungen Fragen an die interkulturelle Literatur zu stellen, verknüpft in diesem Sinne mehr spezifische Analysen mit überblicksartigen Darstellungen. Ob Sten Nadolnys Selim nun denn ein Einzelkind sei oder nicht, wird dabei ebenso diskutiert wie politische, minoritäre oder ästhetische Fragestellungen. Insgesamt geht es diesem Band um eine möglichst facettenreiche Annäherung an die interkulturelle Literatur, die frische Impulse für die weitere Forschung liefern will.
Einleitung – C. Chiellino: Zur Entwicklung der interkulturellen Literatur in Deutschland bzw. in deutscher Sprache – M. Albrecht: Parameter der Veränderung: Zur Wahrnehmung von Minoritäten in den 1970er und 1980er Jahren – H. Grugger: Vom ‚Ersatzteutonen‘ wider Willen zum deutschsprachigen Schriftsteller. Der siebente Lebenslauf von Ota Filip – N. Shchyhlevska: Russlanddeutsche Literatur als interkulturelle Literatur? – B. Eder-Jordan: „Am I the Gypsy / You’ve read books about?“ Identitätskonstruktionen, Erinnerung und Protest in literarischen Texten von Roma – A. Ruiz: Die Kodierung des latenten Gedächtnisses im Roman Federico Sanchez vous salue bien von Jorge Semprún – S. Lengl: Verweigerte Zukunft. Das Inzestmotiv in der interkulturellen Literatur
Die Herausgeber Dr. Helmut Grugger, seit 2012 am Department für German Studies des MIC, University of Limerick, Irland. Seine Forschungsschwerpunkte sind die philologische Analyse der Schnittstellen zwischen Literatur und Subjekttheorie bzw. Psychotraumatologie. Dr. Szilvia Lengl studierte Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der LMU München und an der Universität Augsburg. Szilvia Lengl ist Mitbegründerin der Forschungsgruppe „Parola vissuta“, arbeitete von September 2012 bis Juni 2014 am Mary Immaculate College in Limerick, Irland und lebt in Berlin.