Rita Streichs sehr helle, warme, schwerelose Koloraturstimme mit einem unverkennbar eigenen Timbre, fundiert auf sicherer Gesangstechnik, perfekter Artikulation, großer Leichtigkeit und imposantem Vibrato, gestochen perlenden Koloraturen, fügte sich zu ihrer ungeheuren Ausstrahlungskraft und einer Darstellungskunst, die sich vor allem auf das Freche und Kecke fokussierte.
Geboren am 18. Dezember 1920 im russischen Barnaul, als Tochter musikbegeisterter und sangesfreudiger Eltern, – einer russischen Mutter und eines deutschen Vaters, der als Kriegsgefangener nach Russland gekommen war –, kam bereits vor Vollendung des ersten Lebensjahres, 1921, nach Deutschland. Ihre Kinderjahre verbrachte sie in Essen (1921–1930), wo sie im Alter von vier Jahren erste Bühnenerfahrungen auf einer Kinderweihnachtsfeier mit dem Lied „Der Kuckuck und der Piedewitt“ sammelte. 1930 zog die Familie ins thüringische Jena, dort besuchte Rita Streich das Lyzeum und Reformrealgymnasium in der Kaiser–Wilhelm–Straße 1, wo ihre Klassenkameradinnen auf ihre schöne Stimme aufmerksam wurden und sie in den Pausen zu Gesangsdarbietungen aufforderten. Nicht nur die Mitschülerinnen, auch ihre Klavierlehrerin Elisabeth Bran (geb. 1906) wurde auf die begabte Jungsängerin aufmerksam und stellte sie der Sopranistin Paula Klötzer (geb. 1904 in Hermsdorf bei Jena) vor, – einer ehemaligen Schülerin der bekannten Koloratursopranistin und erfolgreichen Gesangspädagogin Maria Ivogün –, die als Ensemblemitglied am Augsburger Stadttheater wirkte.
Nach Ende ihrer Schulzeit machte sich Rita Streich 1938 auf den Weg nach Augsburg zu Paula Klötzer, wo sie bis 1940, als Klötzer nach Hamburg verzog, Gesangsunterricht nahm. 1940 kam Rita Streich nach Berlin in die Opern– und Gesangsschule von Bariton Waldemar Staegemann (1897–1958), die sie 1942 mit der Bühnenreifeprüfung vor der Reichstheaterkammer mit Auszeichnung abschloss. Gleich im Anschluss bekam Rita Streich ein Engagement in der Provinz, am Stadttheater in Aussig (heute Usti nad Labem in Tschechien), als Koloratursoubrette und 1. Koloratursopran, das die Kriegswirren 1944 beendete. Wieder war es Berlin, wo sie Zuflucht fand. Mit Koloratursopranistin Erna Berger (1900–1990), die Rita Streich schon vorher sehr verehrt hatte, ging sie von 1942 bis 1951 (unterbrochen vom Aussiger Engagement) ans Partien–Studium, was sie, nachdem Berger ihre Gastspielreisen wiederaufgenommen hatte, bei Maria Ivogün (1891–1987) von 1951 bis 1955 weiterführen konnte.
Erna Berger war es auch, die Rita Streich zu einem ersten Engagement 1945 an der Berliner Staatsoper verhalf, der sie bis 1952 die Treue hielt. Berlin wurde zum Sprungbrett für Rita Streichs Karriere. Sie hatte die Möglichkeit mit den Großen des Opernfachs zu musizieren, so auch mit Willi Domgraf–Fassbaender (1897–1978), der ihr Privatstunden gab. Ihre erste Premiere an der Berliner Staatsoper war am 10. April 1949 die Olympia in Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“. Nach ihrer Heirat 1949 mit dem damaligen Regieassistenten Hans Dietrich Berger (1920–1980) und der Geburt ihres einzigen Kindes, das die Namen Antonio Franklin Gerd erhielt, war sie hin– und hergerissen zwischen der Vereinbarung von Familie und Gesangskarriere.
Gastspiele an der Komischen Oper Berlin (1950–52), an der Städtischen Oper Berlin (1950–51) sowie am Berliner Schillertheater (1952) umschließen ihren Berliner Wirkungskreis. Nach Gastspielen an der Wiener Staatsoper (1953–55) wurde die „Wiener Nachtigall“, wie sie alsbald liebevoll genannt wurde, 1956 bis 1972/73 festes Ensemblemitglied und Teil des legendären Mozartensembles, und sang über 20 Partien. Gastspiele in aller Welt schlossen sich an, so beispielsweise an der Mailänder Scala, dem Teatro dell`Opera di Roma, der Lyric Opera Chicago, dem Teatro Felice in Neapel, am Londoner Covent Garden, am Teatro Colón in Brüssel, den Staatsopern von Hamburg und München sowie in Paris. Hinzu kam eine umfangreiche Festspieltätigkeit bei den Wiener Festwochen, den Bregenzer Festspielen, dem Bach–Festival in Oxford, Bergen–Festival, Holland– und Flandern–Festival, den Festspielen von Glyndebourne, Festspiele in Aix–en–Provence sowie bei den Bayreuther Festspielen 1952 und 1954–1967 bei den Salzburger Festspielen. Tourneen durch Australien, Neuseeland, Südafrika, die USA und Kanada sowie Japan (erstmals 1959 mit Klavierbegleiter Erik Werba) waren die Folge. In Japan und Frankreich errang sie größte Beliebtheit.
Die Kunstlied– und Volksliedpflege lag Rita Streich sehr am Herzen und so gab sie Liederabende mit Werken von Mozart, Franz Schubert, Mendelssohn Bartholdy, Hugo Wolf, Richard Strauss, Grieg, Milhaud, Poulenc, Mussorgsky, Prokofjew, Strawinsky, Scarlatti und originalsprachlichen Volksliedern. Mitte der 1970er Jahre nahm Rita Streich Abschied von der Opernbühne, gab aber noch bis 1986 Liederabende und absolvierte Konzertauftritte.
Rita Streichs kleine Stimme eignete sich sehr für Aufnahmen. Zahlreiche Schallplatteneinspielungen begründeten ihre große Bekanntheit und tragen Rita Streichs große Gesangskunst bis in die Gegenwart.
Viele Auszeichnungen stellten sich ein, so 1969 der Kammersängertitel, 1971 das Deutsche Bundesverdienstkreuz erster Klasse, die Madame Le Commandeur des Arts et lettres in Paris und zahlreiche Schallplattenpreise.
Nach Ende der Gesangslaufbahn wurde sie ordentliche Professorin für Stimmbildung an der Folkwang–Hochschule in Essen (1974–1987), der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst (1975–1987) und am Pariser Konservatorium. Sie leitete von 1983 bis 1987 das Centre du Perfectionnement d`Art in Nizza und gab weltweite Meisterkurse wie ab 1983 in Salzburg. Eine gute, ausgeglichene, geduldige Gesangspädagogin, die auf jeden Schüler emphatisch eingehen kann und sie individuell zu stärken und zu formen versucht, scheint Rita Streich, befragt man ihre zahlreichen Gesangsschülerinnen, kaum gewesen zu sein.
Diese zierliche, vor Energie sprühende, damenhafte und temperamentvolle Frau, voll natürlicher Heiterkeit, gestaltete ihre Partien und Lieder mit großem Einfühlungsvermögen, gestalterischer Intelligenz, schauspielerischer Spontanität in ungeheurer Bühnenpräsenz und Sinn für Wirkungen. Mit zunehmendem Alter litt Rita Streich an Versagensängsten und unter den Spätfolgen ihrer Karriere wie großer Einsamkeit und darunter, dass sie zunehmend beim Publikum in Vergessenheit geriet. Rita Streich starb am 20. März 1987 nach langer schwerer Krankheit in Folge eines Hirntumors und wurde im Grab ihrer Eltern auf dem Ortsfriedhof Perchtoldsdorf beigesetzt.
Eine fantastische Künstlerin, die es lohnt zu entdecken, die nicht vergessen werden sollte.