Wenn man eine verstorbene Person noch einmal treffen könnte, für ein allerletztes Gespräch… Mit wem würde man da sprechen wollen? Was würde wohl passieren?
Diese Frage hat Achim Viereck sich und einigen seiner Weggefährtinnen und -gefährten gestellt. Das Ergebnis, Mit Hemingway an der Bar, ist nun bei K&N erschienen.
Jasmin Stollberger hat sich mit dem Herausgeber über das Projekt unterhalten.
Es handelt sich bei Mit Hemingway an der Bar um eine Sammlung von Begegnungen, fiktiven Gesprächen mit Toten. Woher stammt die Idee, einen solchen Band zu veröffentlichen?
Ich weiß noch genau, wie ich auf diese Idee gekommen bin. Wir saßen im Garten meines früheren Vorgesetzten und jetzigen Freundes in Brandenburg und ich sagte, wie schön wäre es doch, wenn jeder Mensch noch einmal die Gelegenheit hätte, mit einem Verstorbenen zu sprechen. Aus dieser Unterhaltung entstand die Idee, ein solches Buch zu veröffentlichen.
Wie kam es zur Titelwahl Mit Hemingway an der Bar?
Wir wollten einen Titel wählen, der nicht so ‚spießig‘ ist. Ich bin großer Hemingway-Fan. Und ich weiß, dass auch viele andere Leser ihn schätzen! Da Hemingway in dem Buch zu Worte kommt – in seiner Lieblingsbar in Havanna, die ich auch schon einmal besucht habe – hat die Mehrheit meiner Co-Autoren und -Autorinnen auch dafür plädiert, ihn in den Titel einzubauen.
Sie selbst haben zwei Gespräche beigesteuert. Eins mit Aimé Bonpland, eins mit Ernest Hemingway. Warum haben sich diese beiden bei Ihnen „gemeldet“?
Bonpland, der Begleiter von Alexander von Humboldt, ist ‚zweite Reihe‘ geblieben, obwohl er zum Erfolg der gemeinsamen Reise mindestens ebenso viel beigetragen hat wie der weltberühmte Humboldt!
Im zweiten Beitrag trifft man bei einem Besuch in der Bar El Floridita in Havanna auf Hemingway. Hemingway ist für mich ein großer Autor. Die Bewunderung, die man Hemingway gegenüber hat, weicht allerdings, je mehr man sich näher mit ihm beschäftigt, dem Mitleid. Denn Hemingway war, zumindest gegen Ende seines Lebens, ein kranker Mann, der kritikunfähig und egozentrisch war. Aber das soll seinen literarischen Ruf nicht schmälern.
Hat Sie ein Totengespräch Ihrer Mitautoren besonders angesprochen, besonders berührt?
Es gibt zwei Beiträge, die mich besonders berührt haben.
Zum einen ist es der Beitrag meines heute 99-jährigen Doktorvaters – der sofort zur Feder gegriffen hat, als ich ihn gebeten habe, auch etwas beizutragen. Er trifft in seinem Gespräch seinen Großvater. Dieser war Engelbert Humperdinck! Das fand ich ganz außergewöhnlich! Das hatte er mir nie gesagt!
Das zweite ist der Beitrag einer Freundin aus Dänemark, Mara Nottelmann-Feil. Ihre ist eine unheimliche Geschichte, in der ich mich selbst nach Zypern versetzt gefühlt habe. Die Spannung die sie aufbaut, hat mir sehr gut gefallen.
Was löst die Beschäftigung mit „Totengesprächen“ im Schreibenden aus?
Es gibt zwei Faktoren, auf die man eingehen sollte.
Einmal, wen man auswählt. Die Wahl ist ein Liebesbeweis, eine Erklärung, welche Person für einen sehr wichtig ist. Im Prozess des Schreibens beschäftigt man sich dann intensiv mit dieser Person, und mehr und mehr Details, die man selbst davor auch nicht wusste, kommen ans Licht. Es ist befriedigend, dieses genaue Bild dann in Literatur umzusetzen und die gewählte Person auf diese Weise noch näher kennenzulernen.
Was können Leser aus den Gesprächen mitnehmen?
Ich glaube, dass manch Leser auf Persönlichkeiten aufmerksam werden wird, die er nicht kannte und die ihn doch interessieren könnten – eine Initialzündung zur eigenen nähren Beschäftigung, sozusagen.
Zum anderen ist es auch eine Überlegung wert, welche Botschaft Menschen generell aus der Thematik mitnehmen können. Die Toten können wir nur auf literarische Weise treffen. Es ist deshalb umso wichtiger, jeden Tag und jede Stunde zu genießen, die wir hier mit unseren Freunden verbringen können. Über die Toten kann man auch eine Wertschätzung der Lebenden vornehmen. Manchmal weiß man gar nicht, wie wertvoll Freundschaften und Bekanntschaften sind, und man sollte sie entsprechend pflegen und die Gespräche führen, solange die Person noch lebt.