Beschreibung
Bildungsromane erzählen Lebensgeschichten: Geschichten von der Sozialisation, von den Gewinnen und Verlusten beim Prozeß des Erwachsenwerdens. Die Studie liest diese Lebensgeschichten als Körpergeschichten, indem sie die Schicksale der genuin körperlichen Wünschen der Romanfiguren verfolgt. Der theoretische Rahmen orientiert sich dabei vor allem an den psychoanalytischen Erkenntnissen und Theorien Jacques Lacans und an den Grundlagen der Zeichentheorie. Dieser theoretische Ausgangspunkt ermöglicht es, einen Bogen zu schlagen von der psychologischen Tiefenstruktur der Texte über ihren manifesten Handlungsverlauf bis hin zur Darstellung des Körpres in den Texten. Textgrundlage sind Bildungsromane bzw. Gattungsvorläufer, die markante Punkte eines halben Jahrhunderts Gattungsgeschichte markieren: Gellerts „Leben der Schwedischen Gräfinn von G***“ (1747/48), Wielands „Geschichte des Agathon“ in der 1. Fassung (1766) und der 3. Fassung (1794) sowie Goethes „Wilhelm Meisters theatralische Sendung“ (1776-85) und „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ (1795/96). Mit Seitenblicken auf die Diskurse über den Körper in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts werden den Romanen Strategien abgelesen, wie sie die Konfrontation von Körper und Zeichen, von Wünschen und Verboten thematisieren, die resultierenden Konflikte austragen und – vor allem – wie sie zur Lösung gelangen, mit welchen Argumenten und Darstellungsmitteln sie diese Konfliktlösungen herbeiführen und legitimieren. Der Autor Thomas Kahlcke studierte Neuere deutsche Literatur, Mediävistik, Kunstgeschichte sowie Musikwissenschaft in Kiel und Freiburg i.Br. Er lebt und arbeitet heute als freier journalist in Kiel.