Flemming Roland-Jensen

Vernünftige Gedanken über Die Nymphe Mnemosyne

Wider die autoritären Methoden in der Hölderlinforschung

Erscheinungsdatum: 01.01.1998, 257 Seiten ISBN: 978-3-8260-1318-8
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Beschreibung

Die Arbeit ist teils eine Grundlegung, teils eine Fortsetzung der Monographie des Verfassers von 1989: Hölderlins Muse, Edition und Interpretation der Hymne ‘Die Nymphe Mnemosyne’. Jene Arbeit über Hölderlins wohl schwerverständlichstes Gedicht rief in den Reihen der Hölderlinforschung scharfe Reaktionen hervor. Der Autor wertet diese negativen Erfahrungen in seinem neuen Buch aus. Es hat zwei Ziele: ein sachlich-wissenschaftliches und ein methodologisch-forschungspolitisches. Hölderlins Mnemosyne-Gedicht gilt es in möglichst authentischer Gestalt zu erfassen und zu deuten. Bezüglich der Textgestalt sind die beiden wichtigsten Ergebnisse gleichgeblieben: Das Gedicht heißt “Die Nymphe Mnemosyne” (nicht nur: Mnemosyne), und es besteht wahrscheinlich aus vier Strophen. Ersteres gilt dem Autor als Tatsache, und hier beansprucht er, die wissenschaftlichen Gegner durch Sachzwang zum Umdenken zu nötigen. Er weist nach, daß die Mutter der Musen in der Geschichte mythologischer Forschung als Nymphe aufgefaßt wurde, gerade auch zu Hölderlins Zeit. Die Vierstrophigkeit der Hymne dagegen wird nicht als Tatsache, sondern als Hypothese angesehen. Diese Hypothese verteidigt Roland-Jensen durch Widerlegung der Argumente seiner Widersacher: Insbesondere unterzieht er die Textdeutung des durch seine Kompetenz ausgezeichneten Beißner-Schülers Jochen Schmidt einer gründlichen Prüfung und befindet sie als untauglich. Im Verhältnis zum früheren Buch vertieft der Verfasser seine Interpretation der Hymne. Das Ergebnis mag als ein Wagnis erscheinen. Aber es wird auch dargelegt, daß in Anbetracht der Schwerverständlichkeit von Hölderlins Text solche Wagnisse wissenschaftlich legitim und sogar notwendig sind: Andere Forscher können die hier vorgeschlagene Deutung durch bessere Argumente korrigieren oder auch bestätigen. Die Beißnersche Deutung des Gedichts als Abgesang oder als Gesang vom Untergang weist Roland-Jensen durch eine Reihe von Argumenten ebenso ab, wie ihre begrifflich anspruchsvollere Aufnahme durch Jochen Schmidt. Das methodologisch-forschungspolitische Ziel des Buches ist der Nachweis, daß die Wissenschaftlichkeit in der Hölderlinforschung bedroht ist. Zu diesem Zweck werden “Wissenschaft” und “Forschung” einander gegenübergestellt: auf der einen Seite die schöpferische Tätigkeit, die darin besteht, Hypothesen argumentativ derart zu präsentieren, daß geprüft werden kann, ob sie zu neuer Einsicht führen; auf der anderen Seite das Studium und die Bereitstellung von Wissen, auf deren Grundlage Hypothesen gebildet werden können. “Wissenschaft” in diesem Sinne ist kritisch, “Forschung” autoritär – auch wer neue Einsichten publiziert, kann sinnvollerweise nicht ganz von vorne anfangen, sondern baut auf schon Bekanntem auf. Als illegitim aber hat das autoritäre Vorgehen zu gelten, wenn es zur Unterdrückung von Kritik und neuem Wissen angewendet wird. An verschiedenen Beispielen zeigt der Autor, wie in der Hölderlinforschung von den 40er Jahren bis heute autoritäre Methoden totalitär mißbraucht werden. Zum einen wird der editorisch wie interpretatorisch einflußreiche Vortrag Friedrich Beißners von 1947, ‘Hölderlins letzte Hymne’, unter die Lupe genommen. Roland-Jensen analysiert dessen Aufbau, Rhetorik und Voraussetzungen mit dem Ergebnis, daß Beißner die Intention des Dichters nicht verstanden, sein Unverständnis verdeckt, die in seine Deutung einfließenden Quellen verschwiegen hat. Sachliche Kritik an seiner Edition sowie konkurrierende Deutungen hat er durch seine Machtstellung in der Hölderlinforschung erfolgreich unterdrückt. Zum anderen analysiert der Verfasser das Ideal von wissenschaftlicher Gewißheit, das seine Gegner hegen, die Erwartung, ein Editor dürfe keine Fehler machen, und das Postulat, die Textinterpreten müßten ihre Interpretation auf eine sichere Edition bauen. Solche Ansprüche kennzeichnet er als unerfüllbar: Edition und Interpretation hängen voneinander ab. Demnach läßt sich weder aus einer “Voreingenommenheit” des Editors bei seiner Arbeit ein pauschaler Vorwurf machen, noch kann eine solche Arbeit neben rationalem Verfahren einer irrationalen Komponente entbehren. Der Leser erhält hier einen Einblick in die editorische Arbeitsweise. Zuletzt fragt Roland-Jensen nach der Bedeutung der (kritischen) Literaturwissenschaft in der Gesellschaft. Seine Antwort: Die kritische Methode überzeugt jeden, der mit ihr arbeiten darf, und sie ist jeder bloß rezeptiven Aneignung von Lehrmeinungen überlegen. Im Anhang des Buches sind die bisher publizierten Konstitutionen des Gedichts abgedruckt. Der Autor Flemming Roland-Jensen studierte nach einer Photographenlehre Germanistik und Nordische Philologie an der Kopenhagener und an der Berliner Freien Universität: Acht Jahre lang war er als Lektor für Dänisch an der Universität Münster angestellt, längere Zeit auch als Dozent an der Auslandsgesellschaft Dortmund. In Dänemark hat er eine Reihe loser Anstellungen als Lehrer an Hochschulen, Universitäten und anderen Institutionen gehabt, darunter ein achtmonatiges Stipendium des Dänischen Forschungsrats. Seit 1993 lebt er von Sozialhilfe.

Zusätzliche Information

Gewicht0,407 kg
Größe15.5 × 23.5 cm (B × H)
Seiten257
Erscheinungsdatum01.01.1998
ISBN978-3-8260-1318-8   //   9783826013188
EinbandartKartoniert
SpracheDeutsch
VerlagKönigshausen & Neumann
Verlags-Code05/5108091

Autor*innen

Roland-Jensen, Flemming