Beschreibung
“Weihnachten war ein wichtiges Einfallstor für politische Tendenzen”. Der vorliegende Sammelband bestätigt diese These Hermann Bausingers, des Nestors einer (selbst-)kritischen Volkskunde, auf vielfältige Art und Weise. Ungeachtet eines gewichtigen Schwerpunkts bei der “Deutschen Weihnacht” von den Zeiten der Gebrüder Grimm an bis zu heutigen Postnazis, dokumentiert der Band eine politische Generierung des Fests der Feste von seinen jüdisch-römischen Anfängen an. Darüber hinaus wird, was die Neuzeit angeht, ausführlich sein konstitutiv bürgerlicher Charakter herausgearbeitet, dann eben auch die Indienstnahme des Familien- und Kinderfestes für nationalistische, militaristische und faschistische Interessen, zugleich aber wird der (selbst nicht immer unproblema-tische) Protest gegen solche Ideologisierung herausgestellt. Einen besonderen Akzent setzt der Band – und nicht nur im letzten Beitrag – mit der Analyse des deutsch-jüdischen Verhältnisses, gerade im Schatten des Weihnachtsbaumes: dieses Emblem deutsch(-christlich)er Kultur. Heute wird der Baum der Bäume von manchen Gruppen geradezu als Inkunabel kapitalistischer Globalisierung angesehen, gerät aber nicht zuletzt deswegen – z.B. in den Augen islamischer Fundamentalisten – auch zum zu bekämpfenden Fetisch einer “ungläubigen” Welt. Muß man Weihnachten vergessen? Viele haben es versucht, nicht wenigen ist es jedoch schwer gefallen; denn dieses Hochfest hat es ‘in sich’: eine ganze lange Geschichte, unser aller verfehlte Geschichte. Eben ihretwegen – so wird von manchen argumentiert – als regulative Idee zumindest, im Sinne von Immanuel Kants “Ewigen Frieden”. Inhalt Einleitung – R. Faber: Konstantinische Weihnacht – M. Leutzsch: Die Weihnachtsgeschichte des Lukasevangeliums – K. Wengst: Menschwerdung Gottes? Zur Revision traditionell antijüdischer Auslegung des Johannesprologs – D. Schellong: Schleiermachers “Weihnachtsfeier” – Ein Dokument des evangelischen Bürgertums zum Anfang des 19. Jahrhunderts – H.-M. Gutmann: “Die arme Frau Dorstel am Weihnachtsabend”. Eine Erzählung Johann Hinrich Wicherns aus dem Jahre 1848 in sozialgeschichtlichem Kontext – M. Kreuzwieser: “machet auf den türel/machet auf den türel”. Streifzüge zur Weihnachtsthematik in der österreichischen Literatur – K. Kriener: Julfest versus Christfest. Über das politische ‘Heidentum’ Alain de Benoists – H. Bausinger: Das Weihnachtsfest der Volkskunde. Zwischen Mythos und Alltagsgeschichte – E. Gajek: Nationalsozialistische Weihnacht. Die Ideologisierung eines Familienfestes durch Volkskundler – D. Foitzik: Kriegsgeschrei und Hungermärsche. Weihnachten zwischen 1870 und 1933 – Chr. Lorenz: Frieden, Freude, Völkerfreundschaft – Weihnachten in der DDR – U. Jeggle: Schöne Bescherung. Spekulationen über Weihnachten – H. Embacher: Weihnukka. Zwischen Assimilation und Vertreibung – Erinnerungen deutscher und österreichischer Juden an Weihnachten und Chanukka Die Herausgeber Richard Faber, Dr. phil., geb. 1943, ist Privatdozent für Soziologie an der FU Berlin Esther Gajek M.A., geb. 1962, ist Volkskundlerin und arbeitet als Austellungsmacherin in Regensburg