Beschreibung
Die Frage nach dem Sinn des Lebens hat Hochkonjunktur. Selbst jene, die sie gerne abschütteln möchten, werden immer wieder von ihr eingeholt. Früher waren Sinnfragen eine Domäne von Theologie und Philosophie. Mittlerweile stehen sie im Brennpunkt therapeutisch handelnder Fachgebiete wie Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie und Psychosomatik. Vielgestaltige individuelle Sinnkrisen prägen die Lebenswelt des zeitgenössischen Menschen. Die “ewige Frage: Wozu?” (Gottfried Benn) bewegt heutzutage viele Menschen. Lebenskrisen, Zukunftsängste, Middle-Life-Crisis, suizidale Krisen oder Sehnsucht und Sinnverlust in Suchterkrankungen bringen mit der Leiderfahrung auch die Sinnfrage vehement ins Leben. Das Spektrum zeitgenössischer “Sinnsucher” ist also groß. Nicht minder groß ist die Vielfalt der Sinnanbieter. Die traditionellen “Sinngeber” Religion und Philosophie werden ergänzt durch moderne Sinnlieferanten wie Esoterik, Spiritualität, Sekten oder weltanschauliche Systeme mit Fundamentalisten oder Radikalen jeder Couleur. Die zeitgenössische Diskussion der Postmoderne ist ebenfalls komplex auf das Sinn-Thema bezogen. Dem Sinnverlust durch postmoderne Beliebigkeit und Unübersichtlichkeit steht ein Ringen um Sinn in der aktuellen Diskussion über Wertewandel und ethische Fragen gegenüber. Der vorliegende Band hat eine interdisziplinäre Grundkonzeption. Namhafte Experten der Philosophie, Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie geben Beiträge zu höchst aktuellen Sinnfragen. Das gemeinsame Band, das die Autoren verbindet, ist die persönliche und geistige Verbundenheit mit Dieter Wyss (1923 – 1994). Er war von 1969 bis 1989 Ordinarius für Medizinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Würzburg. Als Mitbegründer der “Deutschen Gesellschaft für Anthropologische und Daseinsanalytische Medizin, Psychologie und Psychotherapie” war er über viele Jahre deren Präsident und Ehrenpräsident. Er entwickelte anthropologisches Denken weiter, das er als Mitarbeiter von Viktor von Weizsäcker und als Lehrstuhlnachfolger von Viktor Emil von Gebsattel aufgenommen hatte. Anthropologische Grundfragen sind für das Sinnthema von zentraler Bedeutung, so daß der gemeinsame geistige Horizont der meisten Autoren eine grundlegende Kohärenz verspricht. Inhalt I. Einleitung: – H. Csef: Die Sinnkrise des modernen Menschen – II. Philosophische Grundlagen der Sinnerfahrung – H. Rombach: Die philosophische Grundfrage nach dem Sinn – H. Tellenbach: Der Sinn und die Zwecke. Zur Antinomik von Begrenzung und Erweiterung der Freiheit durch die Zwecke – E. Biser: Glaube und Sinnfindung – G. Condrau: Dasein und Sinn bei Martin Heidegger – B. Pauleikhoff: Sinnsuche und Sinnfindung bei J. G. Hamann und F. Nietzsche – R. Löw: Nietzsche und der Sinn – A. Zamora: Traumbewußtsein und Sinnerfahrung. (Zwischen Descartes’ und Wyss’ Lehren) – R. Kraus: Konstitution der Sinnerfahrung durch das Todesbewußtsein. Antinomie und Alogik der Todesphänomene – R.-M. E. Jacobi: Mensch-Sein im Zwischen. Zur Versöhnung von Ontologie und Ethik im Horizont des Seins-im-Mangel – III. Lebenssinn und Ethik in der Psychiatrie – G. Nissen: Krisen der Entwicklung und der Sinnfindung in der Adoleszenz – E. Lungershausen: Die Frage nach dem Lebens-Sinn am Beispiel der Ausbreitung neuer Sekten – H. Lauter: Ärztliche Überlegungen zur aktuellen Euthanasie-Diskussion – A. Kraus: Der Sinn der Manie in identitätstheoretischer Sicht – Th. Stüttgen: Die Bedeutung der Verantwortungsethik für das ärztliche Handeln – IV. Die Sinnfrage in Psychoanalyse, Psychologie und Psychosomatik – D. v. Uslar: Sinn und Deutung in der Psychologie – Dr. W. Pieringer: Krankheit, Sinn und Selbsterkenntnis. Das Sinnthema in einer anthropologischen Krankheitsordnung – A. Längle: Zur ontologischen und existentiellen Bestimmung von Sinn. Analyse und Weiterführung des logotherapeutischen Sinnverständnisses – M. Mitscherlich-Nielsen: Was ist Trauer? – H. Lang: Über den Sinn von Symptomen – H.Weiß: Spaltung, Haß und Neid. Über den Sinngehalt destruktiver gesellschaftlicher Phänomene – G. Pagel: “Die Spitze an Sinn ist das Rätsel” (Lacan). Zehn Thesen über das Begehren – K. Wilms: Möglichkeiten und Grenzen der modernen Medizin auf dem Hintergrund humaner Sinnerfahrung – H. Csef & A. Kube: Sinnfindung als Modus der Krankheitsverarbeitung bei Krebskranken – V. Das Sinnthema in Kunst und Mythos – P. Petersen: Dieser kleine Funken Hoffnung – Intensivierung der Sinnes-Erfahrung und künstlerisch-therapeutische Haltung am Beispiel einer Psychoanalyse – H. Csef: Die Sinnfrage des kranken Menschen als “gezeichnetes Ich” im Werk von Gottfried Benn – R. Heinz: Frühe Sinnigkeiten zur späten Psycho-Somatik. Die Peirithoos-Mythe – VI. Autobiographische Notizen von Dieter Wyss – VII. Bibliographie Professor Dr. med. Prof. h.c. mult. Dieter Wyss – VIII. Autorenverzeichnis Der Herausgeber Herbert Csef, geb. 1951, Facharzt für psychotherapeutische Medizin und Psychoanalytiker, ist Vertreter des Faches Psychosomatik an der Universität Würzburg. Er leitet den Arbeitsbereich psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der medizinischen Poliklinik der Universität.