Beschreibung
In dieser Arbeit wird eine Abgrenzung einzelner Kräfte des Dichterischen und des Religiösen versucht. Dabei sollen Gestalten der Dichtung, insbesondere Jean Paul, deutlich werden. Denn in ihm bilden die dichetrischen Kräfte eine Einheit mit den religiösen, während sie sowohl bei Goethe als auch bei Kierkegaard – auf entgegengesetzte Weise für sich bestehend – miteinander wetteifern. Vor allem aus dem ersten und dem letzten Kapitel ergibt sich: Allen drei Gestalten gemeinsam ist das ähnliche Gewicht – nicht die ähnliche Art – eines inneren Kerns, der als die tiefste Schicht sowohl des Dichterischen als auch des Religiösen anzusehen ist. Beide haben gemeinsame Ursprungsgebiete. In Bild-Worten läßt sich die jeweilige Besonderheit dieser Schicht bloß andeuten. In ihr entstehen auch die Symbole, die über den unbewußten Kern der Person Auskunft geben. Wohl deutet jedes echte Symbol auf ein Wesentliches im Dichter zurück. Aber nur wenige stellen unmittelbare Aussagen dieses innersten Kerns dar. In ihnen erscheint etwas von der Art des kristallinen Prinzips selber, das in kleinsten Kristallisierungen oft die Form des Ganzen wiederholt. Definitionen, die ihrem Namen nach durch Grenzziehung abschließen, sind vom Dichterischern und Religiösen selbst her nicht zu gewinnen. Auch wenn es sich nicht – wie hier beim Vergleich der drei Gestalten im ersten und letzten Kapitel – um nur eins ihrer Quellgebiete handelte, erschlösse sich das Abstraktionsfeindliche doch nur in einer möglichst anschaulichen Beschreibung des jeweils Gegebenen, primär höchst Individuellen und erst sekundär auch Typischen. Es wurde jedes in Frage kommende Phänomen imemr wieder möglichst genau mit den zugänglichenb Ausdrucksmitteln verglichen und dessen Eigenschaften mehr beschrieben als benannt. Durch Zusammenordnung bezeichnender Selbstzeugnisse sollte eine unmittelbare Anschauung erreicht werden, bevor ein zu früh verallgemeinerndes Begriffswort den Blick verstellte. In Analogie dazu steht die Herausarbeitung einzelner dicherischer Kräfte Jean Pauls. Hier wird die dialektisch zugespitzte Formulierung vermieden. Die Komplexität der Erscheinung soll von der Deutung zugunsten einer voreiligen “Deutlichkeit” nicht angetastet werden. Doch schienen ihr wiederholte Kontrastierungen der drei Gestalten förderlich. Es ergibt sich eine Sonderstellung Jean Pauls in der Dichtung (s. erstes und letzets Kapitel). Der Weg der Betrachtung führt den Leser jeweils auf einen anderen Standort, von dem aus er eine neue Ansicht derselben Gestalt gewinnt. Weder im ganzen noch im einzelnen geht die Darstellung beweisend oder aus Prinzipien ableitend vor. Sondern: Wie eine Skulptur sich im ganzen nur im Umschreiten, im Abschreiten verschiedener Ansichten erschließt, so soll auch hier die Hauptgestalt Jean Paul und das Hauptproblem, die Kräfte des Dichterischen und des Religiösen, immer wieder von einer neuen Seite gesehen werden. Es sollen die vorgetragenen Einzel-“Analysen” sich im Leser zusammenschließen zu einer Anschauung, die sich nicht in der Wiedergabe einzelner Thesen erschöpfen ließe. Der innerste dichterisch-religiöse Kern Jean Pauls ist ebenso wie das Gefüge und Zusammenspiel aller seiner Kräfte nur symbolisch zu fassen. Der Autor Gustav Lohmann (1906 – 1995) studierte Literaturwissenschaft; Promotion zum Thema “Die Entfaltung von Jean Pauls Dichtertum”, Straßburg 1943; Privatgelehrter in Hamburg. Bei K&N erschienen Jean Pauls “Flegeljahre” gesehen im Rahmen ihrer Kapitelüberschriften 1990 Teil I und 1995 Teil II. Die vorliegende Studie entstand zwischen 1950 und 1960; seitdem erneute intensive Arbeit daran. Sie wurde kurz vor Abschluß der letzten Korrekturen durch den Tod beendet.