Beschreibung
Romantik und Ästhetizismus sind durch mehrfache Konnexionen miteinander verbunden: einmal ist es die Romantik, in der für die Entstehung von Ästhetizismus als literarischer Haltung die Grundlagen gelegt werden; in diesem Sinne ist Ästhetizismus eine seitdem stets präsent gehaltene Möglichkeit literarischer Praxis. Zugleich hat man sich daran gewöhnt, bestimmte Wahrnehmungsweisen sowie Strömungen der Literatur und der Kunstprogrammatik um 1900 als ästhetizistisch zu bezeichnen, wobei sich dieser Begriff nicht zufällig von dem der Neuromantik kaum trennscharf differenzieren läßt. Der Band geht einleitend diesen Verbindungen theoretisch nach und widmet sich weiter einem Spektrum verschiedener einschlägiger Aspekte: dem Vergleich zentraler Epochensymbole, der Diskussion von Bohrers Romantiktheorie, dem Faust II als Inszenierung von Medialität, der Funktionsweise des romantischen Grotesken, der Selbstkritik romantischer Entwürfe anhand von Hoffmanns Bergwerken von Falun; der Möglichkeit einer Profilierung von Neuromantik vs. Ästhetizismus anhand der dichterischen Versuche Ludwig Klages’, den ästhetischen Implikationen von Schopenhauers Kritik der Oper, dem Motiv des Treibhauses als erotischer Beschleuniger, den ebenso erotischen Phantasien künstlicher Weiblichkeit in einer Fallgeschichte Oskar Panizza, dem Modus der Konstruktion von Autorschaft um 1900 und der ästhetizistischen Volte, in der Musil seinen Utopiebegriff auflöst. Varia zu Kleist, Fontane und der Programmatik von Realismus/Naturalismus runden den Band ab. INHALT: B. Gruber: Romantik und Ästhetizismus. Überlegungen zu Verhältnis und Begriffskonstruktion – R. Herzinger: Emphase der Entzeitlichung. Zu Karl Heinz Bohrers Romantiktheorie – A. Hartmann: Der Blick in den Abgrund – E.T.A. Hoffmanns Erzählung ,Die Bergwerke von Falun’ – M. Versari: ,Blaue Blume’ – ,Schwarze Blume’: Zwei poetische Symbole im Vergleich – A. Jäger: Groteske Schreibweise als Kipp-Phänomen der Romantik – B. Lindner: Faust. Magie – H.-P. Preußer: Ein Neuromantiker als Ästhetizist. Über den Dichter Ludiwg Klages – G. Plumpe: Prima la musica e poi la parola. Schopenhauers Kritik der Oper – N. Werber: Techniken der Zeit- und Raummanipulation. Die Form des Treibhauses im 19. Jahrhundert – R. Werner: Geschnürte Welt. Zu einer Fallgeschichte von Oskar Panizza – K.-M. Bogdal: “Der echte Künstler verblutet an seiner Individualität.” Konstruktion von Autorschaft um 1900 am Beispiel Wilhelm Arents – B. Spies: “Da die erhabene Hohlheit die gewöhnliche nur vergrößert …” Satire und Ästhetik in Robert Musils ,Mann ohne Eigenschaften’ – J. Kolkenbrock-Netz: Realismus und Naturalismus als literarhistorische und ästhetische Begriffe. Bemerkungen zur Diskursgeschichte literarischer Programmatik zwischen 1880 und 1900 – M. Schuller: Verpassen des Geschlechts. Kleists ,Die Verlobung in St. Domingo’. Lektüre und literaturwissenschaftliche Reflexion – R. Finke: “… der Äquator läuft ihnen über den Bauch”. Namen und Geschichten zu Afrika in Fontanes ,Effi Briest’ und anderswo Die Herausgeber Bettina Gruber ist Lehrbeauftragte an der Universität Bochum. Arbeitsschwerpunkte Romantik, Schnittstellen Literatur/Religion, Zeitgenössische Literatur. Gerhard Plumpe ist Professor an der Universität Bochum; Arbeitsschwerpunkte Systemtheorie, Bürgerlicher Realismus und Medien.