Beschreibung
In kritischer Auseinandersetzung mit der bisherigen psychoanalytischen Literaturwissenschaft entwirft der Verfasser eine psychoanalytische Theorie literarischer Kommunikation, die in der daran anschließenden Interpretation von Goethes „Dichtung und Wahrheit“ zur praktischen Anwendung kommt. Mit seinem Ansatz grenzt er sich von einem literarischen Substantialismus ab, für den Texte feststruk-turierte, unabhängig von der Kommuni-kations-situation zu analysierende Objekte darstellen. Dagegen begreift er sie als Medien, deren kommunikativer Charakter sich in den szenischen Prozessen der Produktion und Rezeption äußert. Gattungen wiederum versteht er als überindividuelle Schemata literarischer Kommunikation, die per Konvention die Erwartungen von Autoren und Lesern vermitteln. Dementsprechend richtet sich die Interpretation von Goethes Autobiographie auf die – bewußten wie unbewußten – Kommunikationsstrategien des Autors, insbesondere seinen Umgang mit Gattungskonventionen, in denen sich sein problematisches Verhältnis zu den Lesern und ihren Erwartungen widerspiegelt. Es zeigt sich, daß Goethe auf zwei Kommunikationsebenen operierte. Während er auf der einen Seite den Forderungen und dem Zugriff des „großen Publikums“ auswich, wandte er sich auf der anderen Seite an eine Gruppe von Leserfreunden, die den Text als literarische Konfession begriffen und zu einer anerkennenden und inte-grativen Rezeption in der Lage waren. Der Autor Michael Gärtner studierte Germanistik, Po-li-tikwissenschaft und Philosophie in Freiburg i.Br., wo er 1997 mit der vorliegenden Arbeit promovierte.