Beschreibung
Seit einigen Jahren richtet sich das Interesse der Literaturwissenschaft auch auf jenes textliche Beiwerk, das den Text, dem sonst die alleinige Aufmerksamkeit zu gehören pflegt, umgibt. Dies hat seine Berechtigung in der Erkenntnis, daß Titel, Widmung, Motto oder Vorwort nicht bloß die schmückenden Accessoires eines Textes bilden, deren Nichtbeachtung ein höchstens ästhetisches Defizit hervorrufen würde, sondern sehr wohl auf den Text einwirken. Die Vernachlässigung dieser Elemente kann daher im äußersten Fall dazu führen, daß der Leser zentrale Sinnzusammenhänge übersieht. Diese Arbeit entwickelt die erste umfassende Typologie des Paratext-Elements “Motto”. Oft erscheint das Motto in der Gestalt des Zitats, d.h. als ein Bruchstück aus einem anderen, fremden Text, der zunächst nichts mit jenem zu tun hat, dem es als Motto vorausgeht. Es verkörpert so ein aus den früheren Zusammenhang gerissenes Text-Element, das – vorderhand noch ohne erkennbaren neuen Zusammenhang – zwischen Titel und Text eine zweite Heimat findet. Isoliert zwischen dem vorausgehenden und dem nachfolgenden Text, fehlt ihm jedoch der Kotext. Deshalb bedarf das Motto der Deutung wie sonst kaum ein textliches Element. Der Sinn einer solchen Text-Insel ergibt sich erst, wenn der nicht immer offensichtliche Zusammenhang zwischen Motto und Text herausgearbeitet ist. Als systematische Grundlage eines solchen Vorhabens dienen die von Jakobson beim sprachlichen Zeichen unterschiedenen sechs Funktionen, die ihrerseits weiter differenziert werden. Das Verfahren ist exemplarisch. Indem pro Kapitel jeweils ein Aspekt des Mottos zur Sprache kommt und anhand eines Leitfadens von ausgesuchten Beispielen – sie umfassen Autoren von Martin Opitz bis Thomas Mann – veranschaulicht wird, werden die Erscheinungsformnen und Wirkungsmöglichkeiten des Mottos in ihrer ganzen Breite entfaltet. Der Autor Der Autor studierte an der Universität Zürich Germanistik, Klassische Philologie und Komparatistik, er promovierte 1997 mit dieser Arbeit. Zur Zeit bereitet er ein literaturwissenschaftliches Forschungsprojekt zu E.T.A. Hoffmann und zur Phantastik vor.