Beschreibung
Verwirklichung der Vernunft ist das Anliegen aller Philosophie. Diese hat jedoch ihre Fundierung im Vorrationalen, von wo sie ihren Ausgang nimmt und wo sie ihren Sinn hat, zu bedenken – sonst wird sie irrational. Weder realisiert sich Vernunft ohne Vermittlungen und Übergänge noch ist das Prärationale nur die vernunftlose Vorstufe aufgeklärter Rationalität. Rationalität und Prärationalität sind aufeinander zu beziehen – diese Erkenntnis nachidealistischer, insbesondere nachkantischer Philosophie prägt auch das Wirken Alfred Schöpfs. Zwei Grundüberzeugungen leiten ihn bei seiner Arbeit. Die erste ist die Gewißheit von der unhintergehbaren Leibgebundenheit der Vernunft, für die ihm Nietzsche, die Philosophische Anthropologie und vor allem Maurice Merleau-Ponty und dessen Lehre vom inkarnierten Subjekt Kronzeuge sind. Zweitens hält ihn die Freudsche Entdeckung vom verborgenen Sinn des scheinbar Irrationalen in Atem. Sein eigentlich origineller Beitrag zur Gegenwartsphilosophie besteht im Aufweis der ausnehmend philosophischen Relevanz der Psychoanalyse als Wissenschaft des Unbewußten. Diese Relevanz zeigt sich zunächst auf theoretischem Gebiet, genauer auf dem Gebiet der Wissenschaftstheorie, wo die Reflexion psychoanalytischer Technik eine entscheidende Vertiefung der Auseinandersetzung zwischen Positivismus und Hermeneutik um den geeigneten wissenschaftlichen Zugang zum Bereich des Humanen ermöglicht: Denn die Wahrheit einer psychoanalytischen Deutung ist weder korrespondenz- noch kohärenz-, noch konsenstheoretisch vollständig zu erfassen, sondern liegt in ihrer Kraft, Änderungen herbeizuführen. Zum anderen stellen psychoanalytische Einsichten eine heute unabdingbare Erweiterung der philosophischen Ethik dar, wie u.a. Schöpfs Beiträge zu Höffes “Lexikon der Ethik” belegen. Hauptgesichtspunkt ist hier, daß die Motivation zu sittlichem Handeln durch unbewußte Konflikte blockiert oder fehlgeleitet werden kann – ein Zusammenhang, den einseitig auf Geltungsreflexion konzentrierte Philosophien schweigend übergehen. Mit der Festschrift ehren Kollegen, Schüler und Freunde Prof. Dr. Alfred Schöpf und gratulieren ihm zum 60. Geburtstag. INHALT: A. Pieper: Die Krise der Gegenwartsphilosophie – W. Baumgartner: Was heißt es, eine Gestalt wahrzunehmen? – G. Böhme: Kontinuität als Phänomen in der Philosophie des Aristoteles – W. Flach: Zur Frage der Begründetheit des gnoseologischen Anspruches der biologischen Wahrnehmungslehre – P. Fonk: Vom Philosophieprofessor zum Anwalt christlicher Orthodoxie? Einige Überlegungen zur Hegelkritik Sören Kierkegaards – B. Irrgang: La Mettries Begründung der Anthropologie – H. Vetter: Kierkegaards dialektischer “Positivismus” – W. Welsch: Nietzsche über Vernunft. “Meine wiederhergestellte Vernunft” – J. Beaufort: Anthropologie und Naturphilosophie. Überlegungen zur Methode in Helmuth Plessners “Die Stufen des Organischen und der Mensch” – M. Forschner: Herrschaft und Herrschaftsfreiheit. Über Rousseaus anthropologische Prinzipien politischen Rechts – W. Henckmann: Zum Verhältnis zwischen Philosophie und Persönlichkeit von Max Scheler – H. Ottmann: Die Würde des Menschen. Fragen zu einem fraglos anerkannten Begriff – P. Prechtl: Überlegungen zum Begriff der personalen Identität – F. Wiedmann: Ethik als Kunstlehre des Lebens – G. Bittner: Abwehr, Verdrängung, Tarnung – E. Daser: Rationalität und Begegnung. Ein Beitrag der Psychoanalyse zum Verständnis des Dialogs – R. Heinz: Ödipus’ Tod. Über eine psychoanalytische Auslassung (in der Form eines inneren Zwiegesprächs) – A. Kessler: Eine Anmerkung zu Freud und “Frühlings Erwachen” – H. Lang: Paradoxien in Psychotherapie und Psychoanalyse – W. Mertens: Psychoanalytiker zwischen einer Identifikation mit dem positivistischen Aggressor und depressivem Rückzug. Einige Vorschläge für Wege aus der derzeitigen Krise – G. Pagel: Geschlechterdifferenz und Sprache – B. Schmitz: Heimatlosigkeit oder symbolische Kastration? Subjektivität, Sprachgenese und Sozialität bei Julia Kristeva und Jacques Lacan – H. Weiß: Denken, Intersubjektivität und Bedeutungskonstituierung im psychoanalytischen Prozeß