Beschreibung
Richard Hönigswald (1875-1947) gilt der einschlägigen Fachwelt als einer der letzten und vor allem schwierigsten Neukantianer, dessen Denken in der strikten Ausrichtung auf die “Analyse des philosophischen Problems” ungeahnte Dimensionen erschließe. Jedoch erweist sich, was zunächst im Zusammenhang eines neukantianischen Ansatzes so folgerichtig erscheint, bei näherer Hinsicht als fragwürdig: Bleibt nicht das eigentliche Projekt Hönigswalds unberücksichtigt? Diese Frage bildet den Ausgangspunkt einer Studie, die sich anschickt, mehr als fünfzig Jahre nach dem Tod des Denkers zu ergründen, auf den Schultern welches Riesen bisherige Hönigswald-Forschung eigentlich steht. Sie begreift sich damit ausdrücklich als komplementäre Alternative bisheriger Interpretation, was eine ausführliche methodologische Begründung erfährt und in der Entwicklung eines biographisch fundierten Zugangs mündet. Nicht von ungefähr findet sich denn auch hier die erste umfangreiche und detaillierte Biobibliographie des Philosophen überhaupt. Ergänzt um einen Katalog signifikanter Quellen lädt sie zukünftige Forschung ein, sich weiterhin auf das Abenteuer historischer Interpretation einzulassen. So wird ein facettenreiches Bild des Wien der Jahrhundertwende gezeichnet. Bereits in den methodologischen Erstlingswerken ist der Keim einer originären Entwicklung angelegt. Ihn zu enthüllen, ohne der Gefahr ästhetischer Kohärenz zu erliegen,gehört zu den Stärken dieser sorgfältigen, kenntnisreichen und lebendigen Darstellung philosophischer Historiographie. Die Autorin Roswitha Grassl studierte in Mannheim, wo sie mit der vorliegenden Arbeit promovierte. Bei K&N bereits zu Hönigswald erschienen “Denken in seiner Zeit”, 1997.