Olaf Briese

Konkurrenzen

Philosophische Kultur in Deutschland 1830-1850. Porträts und Profile

Erscheinungsdatum: 01.01.1998, 196 Seiten ISBN: 978-3-8260-1507-6
Fachgebiet:
Autor*innen:Olaf Briese

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Beschreibung

“Philosophieren heißt nicht auf die Jagd oder auf Beute zu ziehen, sondern auf Krieg”, Philosophen hätten mit “industrieller Taktik” um Einfluß zu kämpfen und mit “notorischer Aufdringlichkeit” an die Öffentlichkeit zu gehen – so verstehen sich ernstzunehmende Philosophen in der Zeit von 1830-1850. Geltungskämpfe, Prioritätsstreitigkeiten oder Vorwürfe des Plagiats prägen ihre Auseinandersetzungen. Scheinbar fest gefügte Schulen zerbrechen, Zweckbündnisse zwischen Denkern unterschiedlicher Herkunft entstehen, erfolgreich drängen Philosophen in die Öffentlichkeit. Das bedeutet: Philosophische Entwürfe erwachsen nicht nur einer bestimmten innertheoretischen Dynamik einschließlich ideologischer Stimulantien, sondern sie entstehen – um einen Schlüsselbegriff Bourdieus aufzugreifen – in “intellektuellen Feldern”. Diese sind von Einfluß- und Prestigekämpfen zwischen verschiedenen Akteuren geprägt. Sie streiten um ihren Anteil an theoretischen Entwicklungen und um Ansehen in der Öffentlichkeit. Dabei geht es einerseits um persönliche Einflußbereiche. Andererseits gibt es natürlich Kompetenzstreitigkeiten zwischen den verschiedenen philosophischen Schulen. Diese wiederum sind eingebettet in Geltungskämpfe zwischen Philosophie und anderen Wissenschaftszweigen, etwa auch Naturwissenschaften, also in den bekannten “Streit der Fakultäten”. In der philosophischen Schlüsselphase von 1830-1850 treten diese Rahmenumstände theoretischer Arbeit unverhüllt zutage. Angesichts der einschneidenden politischen, sozialen und kulturellen Umbrüche dieser Zeit ergab sich sprunghaft ein Prestigegewinn für philosophisches Arbeiten. Philosophie bewährte sich nicht nur innerhalb der Maßstäbe ihres eigenen Fachs, sondern sie situierte sich in einem Gefüge verschiedener Disziplinen und erfuhr einen nachhaltigen Zuwachs öffentlicher Kompetenz. Nicht zuletzt, weil Religion und Theologie an kulturellem Einfluß verloren hatten, galten die Philosophen der verschiedenen Strömungen fast durchgehend nicht mehr als reine Theoretiker. Geradezu überschwenglich bekamen sie den Status kultureller Sinn- und Wertstifter beigelegt und avancierten zu geistigen Repräsentanten der Öffentlichkeit. Abgesehen vom sprunghaften Anstieg von Zeitschriftengründungen gab es ein weiteres Feld, über das Philosophen auf die Öffentlichkeit einwirkten: die Literatur. Natürlich war seit den Zeiten der Aufklärung die konstitutive Rolle von Literatur auch für philosophische Entscheidungsfindungen unübersehbar – sei es auch nur in Form “philosophischer” Romane und Novellen, welche das öffentliche Bewußtsein und damit nicht zuletzt die akademische Philosophie stimulierten. In der hier interessierenden Phase ging jedoch jener Zug zu eigenen literarischen Arbeiten, das Interesse an literarischer Einkleidung von Philosophie und nicht zuletzt das philosophische Interesse an Literatur von den akademisch gebundenen Philosophen selbst aus. Nicht nur mischten sich freischaffende oder fachfremde Autoren in die philosophischen Streitfragen ein, sondern umgekehrt gingen auch akademisch reputierte Philosophen unter die Literaten. Neben diesem Einfluß von Philosophen im journalistischen und literarischen Feld ist schließlich ihre gewollte Aktivität in der politischen Sphäre hervorzuheben. Bei der generellen Politisierung der Öffentlichkeit spätestens ab 1840 dürfte das nicht überraschen. Mit einer bestimmten Verzögerung reagierten auch die Philosophen darauf. Neben religiösen Fragen traten politische und soziale Themen immer mehr in den Mittelpunkt ihres Interesses, und auch das hängt mit dem Streben nach sozialem Prestige zusammen. Die hier vorliegenden, gut lesbaren Porträts von zwölf Philosophen, bekannten und heute unbekannten, die damals aber kritisch aufeinandertrafen, berücksichtigen diese Konkurrenz- und Prestigekämpfe. Ausgehend von biographischen Schlüsselsituationen, zeichnen sie philosophische Grundideen und Leistungen nach. Eine kritiscb-biographiscbe Methode – so soll dieses Vorgehen hier bezeichnet werden – vermag es, in verborgene Denklaboratorien einzudringen. Sie kann zeigen, wie philosophische Entwürfe aus einem Komplex intellektueller, weltanschaulicher und politischer Ansprüche erwachsen und auf welche Weise sie sich durchsetzen oder scheitern. Damit wird aber nicht jene bereits von Hegel kritisierte Kammerdienerperspektive bezogen, die aus zufälligen Phänomenen philosophische Grundsatzentscheidungen herleitet. Sondern sie arbeitet heraus, wie Philosophen dazu kommen, das auszusprechen, was sie für wahr halten und wie sie dieser Zuversicht Nachdruck verleihen. Der erzählende Stil und die Darstellung in historischen Miniaturen – eine in der Philosophiegeschichtsschreibung an sich unübliche Methode – verdeutlichen die jeweiligen Problemhorizonte. Dazu trägt auch der beeindruckend umfangreiche Rückgriff auf aussagekräftige Archiv- und Nachlaßquellen bei. Behandelt werden: Wolfgang Menzel, Karl Rosenkranz, Christian Hermann Weiße, Johann Friedrich Herbart, Franz von Baader, Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, Georg Friedrich Daumer, Otto Friedrich Gruppe, Gustav Theodor Fechner, Ludwig Feuerbach, Ferdinand Christian Baur, Arthur Schopenhauer. Der Autor Olaf Briese, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kulturwissenschaftlichen Institut der Humboldt-Universität Berlin, zahlreiche Artikel zu philosophischen und kulturwissenschaftlichen Problemen. Buchpublikationen: Der Anspruch des Subjekts. Zum Unsterblichkeitsdenken im Jungen Deutschland (1995); Die Macht der Metaphern. Blitze, Erdbeben und Kometen im Gefüge der Aufklärung (1998).

Zusätzliche Information

Gewicht0,38 kg
Größe15.5 × 23.5 cm (B × H)
Seiten196
Erscheinungsdatum01.01.1998
ISBN978-3-8260-1507-6   //   9783826015076
EinbandartKartoniert
SpracheDeutsch
VerlagKönigshausen & Neumann
Verlags-Code05/5108091

Autor*innen

Briese, Olaf

Priv.-Doz. Dr. Olaf Briese, Privat-Dozent am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Richard Faber ist Professor für Soziologie (der Literatur) an der FU Berlin. Priv.-Doz. Dr. Madleen Podewski, Privat-Dozentin am Institut für deutsche und niederländische Philologie der Freien Universität Berlin.