Jeffrey A Barash, Paul Ricoeur, Karin Spranzel (Übers.)

Heidegger und der Historismus

Sinn der Geschichte und Geschichtlichkeit des Sinns

Erscheinungsdatum: 01.01.1999, 284 Seiten ISBN: 978-3-8260-1575-5
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Beschreibung

Der Verf. untersucht die zentrale Rolle des geschichtlichen Denkens in den Schriften Martin Heideggers sowohl in der frühen Phase seines Werks, die in der Publikation von Sein und Zeit im Jahr 1927 gipfelte, als auch nach der sog. “Kehre”, die sein späteres Denken einleitete. Der Autor analysiert den Weg von Heideggers Schriften in Beziehung zu einem einheitlichen Schlüsselthema: dem der fundamentalen Geschichtlichkeit menschlichen Verstehens, welches die Gefahr des Historismus oder historischen Relativismus umfaßt, der in seiner ganzen Deutlichkeit und besonderen Schärfe im neunzehnten Jahrhundert in Deutschland aufkam. Dieses Problem, das nach dem Ende des deutschen Idealismus und insbesondere nach Hegels Versuch der Verankerung der Geschichtlichkeit menschlichen Verstehens in einer absoluten Grundlage entstand, drohte jeden theoretischen Versuch, kohärente Wahrheitskriterien zu erlangen, zu unterminieren. Wenn das menschliche Denken selbst tatsächlich in verschiedenen historischen Epochen grundlegenden Veränderungen unterworfen ist, auf welcher Grundlage können die in irgendeiner Epoche geltend gemachten Wahrheiten dann mehr als bloß relative Gültigkeit beanspruchen, so daß sie nicht auf die Epoche, in der sie entstehen, beschränkt bleiben und dazu verurteilt sind, von einer anderen Perspektive, die in einer späteren historischen Epoche zur Vorherrschaft kommt, überholt (aber nicht unbedingt verstanden) zu werden? Auf welcher Grundlage ließe sich angesichts der fundamentalen Veränderungen, denen das menschliche Verstehen unterliegt, der Anspruch erheben, einen übergreifenden Zusammenhang der verschiedenen historischen Ausdrucksformen der Wahrheit zu erlangen, von dem die Kohärenz und somit die Allgemeingültigkeit von Urteilskriterien abhängt? Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war dieses Problem der Geschichtlichkeit des Verstehens ein Gegenstand eindringlicher theoretischer Betrachtung in der Philosophie wie auch in der Theologie und in den Geisteswissenschaften geworden. Nachdem es die Untersuchungen der bekanntesten Philosophen und Denker – etwa Wilhelm Windelbands, Heinrich Rickerts, Max Webers, Georg Simmels, Ernst Troeltschs, Wilhelm Diltheys und Edmund Husserls -, deren Werk die Grundlagen der Geisteswissenschaften schaffte, angefacht hatte, wurde dieses Problem ein Kernthema der Untersuchung im Denken des jungen Heidegger. Nach Abschluß seiner Habilitationsschrift, die unter der Leitung von Heinrich Rickert geschrieben wurde, richtete Heidegger in den Jahren unmitelbar nach dem ersten Weltkrieg seine Aufmerksamkeit auf dieses Problem und versuchte, die Aporien, mit denen sich seine Vorgänger konfrontiert sahen, zu überwinden. Die Originalität des vorliegenden Werkes besteht in der Erkenntnis der tiefgreifenden Affinität der Interpretationen des Problems der Geschichtlichkeit menschlichen Verstehens, das, beginnend im späten 19. Jh., die Interessen der Philosophen auf der einen und der Theologen auf der anderen Seite verband. Der junge Heidegger war sich dieser Affinität zutiefst bewußt. Wie seine frühen Freiburger Vorlesungen, die kürzlich unter dem Titel Phänomenologie des religiösen Lebens veröffentlicht wurden, zeigen, verwickelte ihn seine frühe Beschäftigung mit dem Problem der Geschichtlichkeit des Verstehens in eine zweischneidige Auseinandersetzung sowohl mit den kritischen Theorien seiner Vorgänger Windelband, Rickert oder, auf andere Weise, Dilthey als auch mit Liberaltheologen wie Ernst Troeltsch. Dem in der vorliegenden Arbeit verfolgten Argument gemäß lassen sich die tieferen Implikationen seines geschichtlichen Denkens im Lichte von Heideggers zweischneideiger Kritik philosophischer und theologischer Versuche, das Problem der Geschichtlichkeit des Verstehens zu lösen, deutlich hervorheben. Von diesem Standpunkt aus klärt der Autor Heideggers philosophisches Verhältnis zu Jaspers, seine Kritik der Geschichtsprognose Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes und seine anfängliche Begeisterung für die dialektische Theologie, die in den zwanziger Jahren zu einer entscheidenden Zusammenarbeit mit Rudolf Bultmann führte. In diesem Lichte erläutert der Autor außerdem die Bedeutung von Heideggers Interpretation des endlichen ontologischen Grundes der Geschichtlichkeit in Sein und Zeit. Nach der Analyse von Heideggers Debatten mit seinen Vorgängern und Zeitgenossen, die die theologischen und philosophischen Wurzeln seines geschichtlichen Denkens in Sein und Zeit hervorhebt, wendet sich der zweite Teil des Buches Heideggers geschichtlichem Denken nach der sogenannten Kehre der dreißiger Jahre zu. In dieser Phase verlagerte Heidegger den Fokus seiner Analyse von der Ontologie des endlichen Daseins zu den Epochen der Seinsgeschichte. Im zweiten Teil dieses Werks versucht der Autor zu zeigen, daß das Problem der Geschichtlichkeit des Verstehens, das Heideggers Vorgänger verfolgte und das er in Sein und Zeit zu lösen versuchte, in seinen Schriften nach der Kehre, wenn auch in einem anderen Kontext und mit anderen Implikationen, wieder auftauchte. Der Autor Nach Abschluß seines Studiums an der Stanford University, der University of Chicago und der Université des Paris IV – Sorbonne unterrichtete Jeffrey Andrew Barash Geistesgeschichte und Philosophie an der University of Chicago sowie der Columbia University. Danach arbeitete er im Rahmen eines Forschungsstipendiums an der Universität Bielefeld sowie am Europäischen Hochschulinstitut (Florenz). Zur Zeit ist er Professor für Philosophie an der Université de Picardie in Amiens.

Zusätzliche Information

Gewicht0,56 kg
Größe15.5 × 23.5 cm (B × H)
Seiten284
Erscheinungsdatum01.01.1999
ISBN978-3-8260-1575-5   //   9783826015755
EinbandartKartoniert
SpracheDeutsch
VerlagKönigshausen & Neumann
Verlags-Code05/5108091

Autor*innen

Barash, Jeffrey A.

Ricoeur, Paul

Spranzel, Karin