Beschreibung
Die Aphorismenreihe Von den ersten und letzten Dingen, mit der Nietzsches Werk Menschliches, Allzumenschliches beginnt, enthält das Programm einer Metaphysikkritik und Ansätze zu ihrer Durchführung. Das hat man immer gesehen. Aber wie soll man angesichts der Gestalt, in der Nietzsches Gedanken vorliegen, entscheiden, was philosophische Argumentation und was vielleicht nur Ausdruck antimetaphysischer Ressentiments ist? Wie soll man entscheiden, was Philosophie ist, die als solche einen Wahrheitsanspruch stellt, und was Literatur, deren Element die Fiktion ist? In Nietzsches Aphorismen scheint beides unauflösbar verquickt. Diese Verquickung ist wohl auch der Grund dafür, daß die Nietzsche-Forschung zwischen emphatischer Zustimmung und verständnisloser Ablehnung hin und her schwankt. Aber beides wird dem Werk Nietzsches nicht gerecht. – Es ist dem Verfasser gelungen, einen dritten Weg zu eröffnen. Sein Ziel ist die Rekonstruktion des in der Aphorismenreihe enthaltenen metaphysikkritischen Argumentationszusammenhangs. Die Rekonstruktion geht aus vom Begriff einer Metaphysikkritik überhaupt. Sie muß, wenn sie ernst genommen werden will, fünf Fragen stellen und beantworten: 1. Wer kitisiert? 2. Was wird kritisiert? 3. Warum ist das Kritisierte falsch? 4. Wie konnte es dazu kommen, daß etwas Falsches für wahr gehalten wird? 5. Was soll statt dessen sein? Kant, bei dem Metaphysikkritik zum theoretischen Programm wird, hat alle fünf Fragen gestellt und zu beantworten versucht. Es zeigt sich, daß auch Nietzsche in seiner Aphorismenreihe mit allen fünf Fragen befaßt ist. So kann das Schema der fünf Fragen zum Leitfaden der Rekonstruktion gemacht werden. Die im 1. Aphorismus vorgestellte kritisierende Instanz, die “historische Philosophie”, wendet sich im Laufe der Aphorismenreihe schließlich gegen sich selbst, was dazu führt, daß die kritisierende Instanz als “Freigeist” die Gestalt einer literarischen Fiktion annimmt. Die kritisierende Instanz, die als theoretische Position in semantischen und pragmatischen Selbstwidersprüchen zugrunde geht, überlebt gleichsam als Freigeist, der sich all dergleichen erlauben kann. Es gelingt dem Verfasser zu zeigen, welche Bedeutung diese Verwandlung für den Argumentationszusammenhang im ganzen hat. Über eine unvermeidlich gewordene, scharfe Trennung von Philosophie und Literatur, die mit Hilfe jeweils unterschiedlich zuzuordnender Wahrheitsansprüche und Wahrheitsbedingungen durchgeführt wird, entwickelt der Verfasser seine abschließende These. In der Aphorismenreihe Von den ersten und letzten Dingen liegt ein Diskurs sui generis vor, der “N-Diskurs”. Er verbindet in einer literarischen Gestalt von großer Brillianz und erstaunlicher Einheitlichkeit einen als solchen rekonstruierbaren philosophisch-metaphysikkritischen Argumentationsgang mit literarisch-fiktionalen Diskurselementen, die als Maskierung der philosophischen Argumentation angesehen werden können. Erst nachdem die Struktur des N-Diskurses durchschaut ist, kann (vielleicht auch für Nietzsches Gesamtwerk) kritische Rekonstruktion an die Stelle der bisher üblichen affirmativen Paraphrase treten. Der Autor Geboren 1937. Studium in Köln. Promotion 1963, Habilitation und Emennung zum apl. Prof 1971. Seit 1980 Universitätsprofessor für Philosophie in Köln. Buchveröffentlichungen: Edmund Husserls Theorie der Raumkonstitution (1964), Geschichte des Selbstbewußtseins. Der Ursprung des spekulativen Problems in Fichtes Wisenschaftslehre von 1794-95 (1974), Darstellung des erscheinenden Wissens. Systematische Einleitung in Hegels Phänomenologie des Geistes (1981), weitere Veröffentlichungen über Husserl, Hegel, Heidegger.