Beschreibung
Der einst gefeierte römische Dichter P. Papinius Statius (gest. in Neapel etwa 95 n. Chr.) schrieb neben einer Sammlung anziehender Gelegenheitsgedichte (Silvae) ein Epos über die Lebensgeschichte des Achilleus (Achilleis, unvollendet) und als Hauptwerk die riesige Thebais (Der Kampf um Theben; 12 Bücher, fast 10 000 Hexameter). Besonders die Epen wurden im späteren Altertum und im Mittelalter vielfach gelesen. Im Mittelalter gehörte Statius zu den “Klassikern” (poetae aurei), die man in der Schule las und in der Dichtung nachahmte.Teile des Walthari-Liedes sind Statius nachgebildet, und besonders der Roman de Thèbes (12. Jahrhundert) greift auf die Thebais zurück. Statius übte noch auf Dante und manchen Dichter des Barock starke Einflüsse aus, während er heute weniger bekannt ist. Dabei dürfte für die Zeitgenossen riesiger politischer und gesellschaftlicher Umwälzungen und die Zeugen oft schwerster menschlicher Verirrungen in Machtkriegen und Aufständen der Zugang zu der düsteren und oft grausamen Welt dieses Dichters nicht zu schwer sein. Vielleicht könnte auch den Leser der Gegenwart der oft ausufernde, immer aber leidenschaftlich durchseelte und durchformte “barocke” Stil des Statius ansprechen. Statius wollte zeigen, wie den sich vererbenden und zugleich ganze Völker ansteckenden furchtbaren Leidenschaften – besonders der Machtgier – in der Brust der Menschen die Leidenschaften der Götter und der Unterwelt entsprechen und antworten und wie im irrationalen Zusammenwirken all dieser Kräfte das böse Schicksal der Oedipus-Familie und der schwer mitgenommenen Völker sich verwirklicht. Die beinahe fatalistische Düsternis des Geschehens wird aber mehrfach und besonders am Ende des Epos erhellt durch die Macht der Pietas, die durch menschliche Größe und durch echte Liebe den Bann der Unheilsmächte bricht und aufhebt. Selbst im politisch-staatlichen Raum siegen schließlich Rechtlichkeit und humaner Widerstand gegen tyrannische Bosheit. Das riesige Geschehen ist im Gefüge des Epos weitläufig entfaltet und wie auf einem Monumentalgemälde mit einem großen Gesamtereignis und vielen einzelnen zugeordneten Szenen ausgeführt, so daß ein mächtiges Panorama mythischen, politischen, moralischen Lebens entsteht. Der mythische Grund aber ist durch die besondere Fähigkeit des Dichters zum Ausmalen von Gefühlen und Gedanken in Reden psychologisch höchst “modern” durchleuchtet und aufgehellt. Statius folgt hier der Technik der Rhetorenschule, die Reden in bestimmten Situationen entwerfen ließ. Ähnlich kunstvoll verfährt der Dichter bei der Beschreibung von Ereignissen, Zuständen, Gegenständen, so daß insgesamt ein episch-dramatisches Gedicht hoher Anschaulichkeit und – nicht zu vergessen – starkem Unterhaltungswert vorliegt. Zugleich tritt Statius mit großem Ehrgeiz in gestalterischen und stilistischen Wettbewerb mit seinen dichterischen Vorgängern, wobei er nicht selten Sieger bleibt. Der ganze Text des Epos wird jetzt nach rund 110 Jahren wieder in deutscher Übersetzung vorgelegt. Der Übersetzer Otto Schönberger, 1926 in Dillingen/Donau geboren, studierte Klassische Philologie, Germanistik und Philosophie. Er lebt heute in Würzburg. Bekannt wurde er mit kommentierten Neuübersetzungen von Longus, Horaz, Philostratos und Cato. Zahlreiche Publikationen bei K&N.