Beschreibung
Das nach seinem Erscheinen 1975 ff. vielbeachtete Hauptwerk des bis dahin vor allem als Dramatiker bekannten Autors Peter Weiss unternimmt den großangelegten Versuch einer Rekonstruktion der Geschichte des antifaschistischen Widerstands und der europäischen Arbeiterbewegung. Weiss ging es dabei nicht nur um die Dar-stellung historischer Prozesse, sondern auch um eine Art geschichtsphilosophischer Reflexion der Bedingungen einer von politischen und kulturellen Hindernissen befreiten Menschheitsentwicklung. Konzentrierten sich bisherige Forschungsarbeiten entweder auf den einen (historiographischen) oder den anderen (geschichtsphilosophischen) Aspekt, so geht es der vorliegenden Untersuchung vor allem um das, was Weiss, öffentlichen Aussagen zufolge, ausdrücklich nicht beabsichtigte, nämlich um die Zeichnung eines in seinen Konturen ambivalenten und mehrschichtigen Bildes deutscher Nationaleigen-schaften. Der Autor kann zeigen, daß sich Peter Weiss über seine in den “Notizbüchern” geäußerten Vorbehal-te gegenüber Nationalcharakter-Konzeptionen hinwegsetzt und auf Vorstellun-gen, Theoreme und Bildelemente rekur-riert, die z.T. pauschalierendem Alltagsdenken entsprechen, z.T. aber auch einer bestimmten Tradition literarischer “Habituskritik” geschuldet sind (Hölderlin, Heine, Heinrich Mann). Die Studie zeigt schließlich auch die starke Abhängigkeit des Peter Weiss von faschismustheoretischen Debatten der 60er und 70er Jahre (Mitscherlich, Brückner) und demonstriert auffallende Parallelen zu sozialwissenschaftlichen Habitus-Theorien (Elias) und alternativen Erklärungsansätzen der gegenwärtigen Historiographie (Goldhagen). Aus dem Inhalt: 1. Einführung; 2. Zur Dar-stellung des deutschen Habitus; 2.1 Autoritätsgläubigkeit; 2.2 Gehorsamsbereit-schaft; 2.3 Ordnungssinn; 2.4 Mangelnde Selbstkritik; 2.5 Gleichgültigkeit; 3. Zur Darstellung des “anderen” Habitus; 4. Zur Darstellung von “Familie” und “Schule” als Konstitutionsbedingungen habitueller Denk-, Wahrnehmungs- und Verhaltenseigenschaften. Der Autor Matthias Köberle, Jg. 1959, studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Göttingen und Marburg/L. Von 1989-1991 war er DAAD-Lektor an der University of Glasgow/Schottland. Seit seiner Rückkehr ist er als Gymnasiallehrer in Wiesbaden tätig. Mit der vor-liegen-den Arbeit promovierte er im Januar 1999 in Göttingen.