Beschreibung
Abgestoßen und ebenso angezogen zeigt sich das 18. Jahrhundert von der Einbildungskraft. Während die Rationalisten sie durch das Primat der Vernunft ducken wollen, glorifizieren die Frühromantiker gerade die unbegrenzte Phantasie als Ermöglichung eines Goldenen Zeitalters. In Goethes gesamtem Schaffen spielt die Einbildungskraft eine zentrale Rolle; er unterwirft sich jedoch weder dem Extrem der Ablehnung noch dem der Überhöhung. Goethe beleuchtet Vielfalt und Ambivalenz der Einbildungskraft. Nicht nur als poetologische oder epistemologische Kategorie ist sie interessant, sondern zugleich als essentielles Phänomen im menschlichen Dasein. Die schöpferische Imagination erweist sich als wesentliche Antriebskraft im Leben, sie kann zudem das Entstehen von Kunstwerken fördern oder ein Fortkommen im naturwissenschaftlichen Forschen ermöglichen. Die pathologische Imagination dagegen führt zu Realitäts- und Ichverlust. Dieses dialektische Potential veranschaulicht Goethe vor allem in seinen Romanen, die die Entwicklung vom Sturm und Drang bis ins Spätwerk nachzeichnen. Die Verfasserin untersucht Kontinuität und Wandel von Goethes Verständnis der Einbildungskraft. Mit Rücksicht auf Goethes Abstraktionsscheu wird hier keine Begriffsgeschichte vorgelegt, sondern eine Darstellung der Erscheinungsformen der Einbildungskraft in Goethes Werk, die das philosophisch-ästhetische Umfeld detailliert einbezieht. Die Autorin Larissa Kritschil studierte Germanistik, Geschichte und Musikwissenschaft in Köln. An der Freien Universität Berlin promovierte sie 1998 mit der vorliegenden Arbeit bei Hans-Jürgen Schings.