Beschreibung
Es gibt kaum einen bedeutenden Autor der literarischen Moderne, der sich nicht mit der Psychoanalyse auseinandergesetzt hat. Die Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts ist ohne die Rezeptionsgeschichte der Psychoanalyse kaum angemessen zu begreifen. Ob Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal oder Karl Kraus, Rainer Maria Rilke, Lou Andreas Salomé, Thomas Mann, Hermann Hesse, Franz Kafka oder Robert Musil, Alfred Döblin oder Elias Canetti, sie alle haben sich, mit mehr oder weniger kritischer Distanz, von der Psychoanalyse prägen lassen. Psychoanalyse und literarische Moderne reagieren gleichzeitig und in wechselseitiger Abhängigkeit auf gravierende Identitätsprobleme des modernen Subjekts angesichts heterogener, zunehmend schwer zu integrierender Ansprüche in ausdifferenzierten Gesellschaften. Psychoanalyse und Literatur kooperieren und konkurrieren dabei miteinander. Die mitunter hochdramatische Beziehung zwischen ihnen ist durch starke Rivalitäten, Prioritätsansprüche, aber auch gegenseitige Wertschätzung gekennzeichnet. Inhalt Einführung – I. Hysterie und Geschlechterdifferenz – Michael Worbs: Mythos und Psychoanalyse in Hofmannsthals “Elektra” – Ortrud Gutjahr: Die Hysterie des “Anderen”. Rilke und Lou Andreas-Salomé – Christine Kanz: Schriftstellerinnen um Freud. Literatur, Psychoanalyse und Geschlechterdifferenz – Elisabeth Bronfen: Hysterie, Film und Literatur – II. Wertkonflikte – Giusi Zanasi: Das Fremde und das Glück. Otto Gross und der Expressionismus – Thomas Anz: Die Seele als Kriegsschauplatz. Psychoanalytische und literarische Beschreibungen eines Kampfes – III. Fallbeispiele – Astrid Lange-Kirchheim: Die Hysterikerin und ihr Autor: Arthur Schnitzlers “Fräulein Else” im Kontext von Freudschriften zur Hysterie – Claudia Liebrand: Deconstructing Freud: Franz Kafkas “Der Prozeß” – Michael Rohrwasser: Elias Canetti und die Psychoanalyse – IV. Erzählprozesse – Sabine Kyora: “Das ganze Unterbewußtsein läuft einem davon…” Ästhetische Verfahren und psychoanalytische Theorie in der westlichen Literatur – Michael Titzmann: Psychoanalytisches Wissen und literarische Darstellungsformen des Unbewußten – Walter Schönau: Die Bedeutung psychoanalytischen Wissens für den kreativen Prozeß literarischen Schreibens Die Herausgeber Thomas Anz ist Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Marburg. Er leitet dort das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt “Psychoanalyse in der literarischen Moderne (1900-1933)”. Dr. Christine Kanz, Wissenschaftliche Assistentin an der Universität Marburg, ist Mitarbeiterin an dem Projekt.