Beschreibung
Wo liegen geistiger Gewinn und Gefahren interdisziplinären Denkens? Dieser Frage widmet sich die Arbeit, indem sie Kurt Goldstein (1878-1965) auf seinen Grenzgängen zwischen Neurologie, Psychologie und Philosophie begleitet. Sein vielschichtiges Werk ist gekennzeichnet durch das Streben, widersprüchliche Ideen seiner Zeit aufzuspüren und in übergreifenden Theorien zusammenzuführen. Wissenschaftstheoretisch widersetzt sich Goldstein den analytisch-reduktionistischen Erklärungsstrategien seiner Zeit. In seinem gestaltpsychologisch geprägten Organismuskonzept gewinnen die atomistischen Daten der Empirie allererst in einer Gesamtschau ihre Bedeutung. Menschliches Verhalten läßt sich nur als ein Zugleich von Leib, Geist und Seele verstehen. In der Neurologie wehrt sich Goldstein gegen die Tendenz, komplexe Leistungen lokalisierbaren neuronalen Modulen zuzuschreiben. Als holistischer Denker sucht er verschiedenste Krankheitsbilder auf eine Störung der “Abstrakten Haltung” als einer Grundfähigkeit des Menschen zurückzuführen. Nach einer ideengeschichtlichen Einführung leuchtet die Arbeit an den Krankheitsbildern der amnestischen Aphasie und der Katastrophenreaktion das Konzept der Abstrakten Haltung weiter aus. Entwickelt Goldstein eine überzeugende Konzeption vom Menschen, die in Einklang mit Ergebnissen moderner Wissenschaft steht? Sein Denken deckt Spannungen auf, die den parzellaren Charakter moderner Forschungsansätze verdeutlicht. Die Autorin Studium der Medizin und der Philosophie an der Universität Freiburg, dem University College London und der John Hopkins University, Baltimore. Promotion 98. Zur Zeit Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der kognitiven Neurowissenschaft.