Beschreibung
Daß die Philosophie Nicolai Hartmanns große Affinitäten zu materialistischem Denken aufweist, ist ein offenes Geheimnis. Von marxistischer Seite hat vor allem Georg Lukács in seinem Spätwerk “Ontologie des gesellschaftlichen Seins” anerkennende Worte für Hartmann gefunden. Im Zusammenhang mit dem alten Lukács steht auch die Grundintention dieser aus dem Nachlaß des Ost-Berliner Philosophen herausgegebenen Arbeit. Sie stellt nicht nur die große Übereinstimmungen Hartmanns mit der dialektisch-materialistischen Naturansicht heraus, sondern möchte darüber hinaus Hartmann ausdrücklich zur Weiterentwicklung des Marxismus in Anspruch nehmen. Bei der Darstellung von Leben, Werk und Wirkung Hartmanns gelangt der Autor zu vielen bedeutenden Einsichten, die von seiner marxistischen Perspektive ganz unabhängig sind. Dazu zählen vor allem die erste umfassende, zum Teil auf eigenen Erlebnissen basierende Lebensdarstellung Hartmanns und die instruktiven Ausführungen über die Bildungsfaktoren, die das Denken des jungen Hartmann schon in Rußland geprägt haben. Zugleich dokumentiert der Autor seine Rolle als “Vermittler” zwischen Lukács und Hartmann: Es war Harich selbst gewesen, der in den frühen 50er Jahren das Interesse des alten Lukács für Hartmann geweckt hat. Der Autor Wolfgang Harich, geb. 1923 in Königsberg, avancierte in den 50er Jahren zum intellektuellen Wunderkind der Philosophieszene der DDR, bevor er 1957 wegen Bildung einer “konspirativen, staatsfeindlichen Gruppe” zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Auch nach seiner Entlassung blieb Harich überzeugter Marxist und Kommunist. Zwischen alle Stühle setzte er sich 1975 mit seinem Buch “Kommunismus ohne Wachstum”. Aufsehen erregte er zuletzt mit seiner scharfen Nietzsche-Kritik, wie sie in dem Buch “Nietzsche und seine Brüder” (1994) enthalten ist. Harich starb im März 1995 infolge eines Herzinfarkts. Der Herausgeber Martin Morgenstern, Tätigkeit in der Jugend- und Erwachsenenbildung und Lehrbeauftragter für Philosophie an der Universität des Saarlandes, hat unter anderem zwei Monographien über Nicolai Hartmann veröffentlicht.