Beschreibung
Die “Phänomenologie des Geistes” ist Hegels erste spruchreife, offizielle Antwort auf das mit Kant aufgeworfene Problem einer Systematik und genetischen Ableitung der philosophischen Kategorien. Erwachsen aus einer Kritik an dem formal bleibenden transzendentalen Subjektbegriff, wird darin der Übergang von den reinen Formen des Selbstbewußtseins zu einer Genese der geschichtlich-kulturellen Objektivierungen des Geistes vollzogen. Hegel unternimmt in seiner ersten Systemschrift den Versuch, die Kategorien in dem Horizont einer allgemeinen Bildungsgeschichte des individuellen, sozialisierten sowie seiner kulturellen Formierung bewußten Subjekts genetisch zu entwickeln, wobei er diesen Prozeß spezifisch aus der Perspektive der Erfahrungen des darin eingeschlossenen naiven oder auch nichtphilosophischen Bewußtseins reflektiert. Nimmt man seinen Gedanken, das phänomenologische System als eine erste Wissenschaft aufzufassen, ernst, tritt die Kategorientheorie der Metaphysik hier als eine Genese der geschichtlich realisierten Wissensformen auf. Indem Hegel den geschichtlich-kulturellen Evolutionsprozeß des Bewußtseins als Geistprozeß, d. h. auf der Basis eines intelligiblen Einheits- bzw. Tätigkeitsprinzips, faßt, bricht er diesem Ansatz allerdings die Spitze ab und beläßt ihn grundlegend im Rahmen der traditionellen Metaphysik als einer scientia transcendens. Die Hegelsche Phänomenologie bewegt sich damit eigentümlich in dem Spannungsfeld zwischen geschichtlich-kultureller Realisation des Wissens und logischer Selbstauslegung des absoluten Geistes. Absicht dieser Studie ist es, die Entstehung sowie Durchführung der phänomenologischen Programmatik bei Hegel genauer auszumessen. Dazu wird zunächst seine Kritik am transzendentalphilosophischen Subjektbegriff wie seine Jenaer Entwicklung bis zur “Phänomenologie” betrachtet. Um den komplexen Ansatz dieses Werkes zu erschließen, der offenbar nicht einfach aus Hegels Logik-Ansatz zu begreifen ist, wird im weiteren einmal auf Grundlinien seiner Rezeptionsgeschichte wie auf Fragen seiner methodischen und realgenetischen Strukturierung eingegangen. Dabei wird zu zeigen versucht, daß der “Phänomenologie” durchaus ein systematischer Gehalt zukommt. Ein besonderer Schwerpunkt kommt ihrer Funktion als einer Scheinlehre zu. Am Ende dieser Untersuchung wird Hegels phänomenologischer Ansatz noch einmal nach der Seite seiner spekulativen Begründung wie deren Auswirkungen reflektiert. Die Autorin Christine Weckwerth, geb. 1963, ist Mitarbeiterin an der Feuerbach-Gesamtausgabe an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, wo sie zur Zeit Feuerbachs Erlanger Vorlesungen zu Logik und Metaphysik bearbeitet. Sie studierte Philosophie an der Berliner Humboldt-Universität und promovierte zur Objektivierungsproblematik in der Hegelschen “Phänomenologie”. Forschungsschwerpunkte und Veröffentlichungen zum deutschen Idealismus und zur nachhegelschen Philosophie wie zur philosophischen Anthropologie.