Daniel Müller Nielaba

Die Wendung zum Bessern

Zur Aufklärung der Toleranz in Gotthold Ephraim Lessings "Nathan der Weise"

Erscheinungsdatum: 01.01.2000, 290 Seiten ISBN: 978-3-8260-1816-9
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Beschreibung

Nathan der Weise gilt, dem üblichen Verständnis nach, innerhalb der Literatur der Aufklärung als das positive ‘Erziehungs’-Drama schlechthin. Durch die Figur Nathans, so der Auslegungskonsens, demonstriert Lessing in vollendeter Weise die Performanz der “Maieutik”, der sprachlichen Hebammenkunst. In zwei großen Erziehungsszenen läßt er seinen “Weisen” personale Konfrontationen bereinigen, in denen Gewalt zu eskalieren droht: Aus dem jungen Tempelherrn, einem religiösen Fanatiker und professionellen Schläger, bildet Nathan, nur mittels seiner subtilen Gesprächsführung, den lammfrommen Zögling einer multikulturellen Großfamilie. Und der Sultan Saladin wandelt sich, allein unter dem Eindruck der “Ring”-Erzählung, vom machtbewußten Potentaten zum demütigen und toleranten Herrscherphilosophen, zum aufgeklärten Staatsmann, der dort um Freundschaft bittet, wo er eben noch Gehorsam zu diktieren sich anmaßte. Diesen beiden Szenenkomplexen, zentral in ihrer Bedeutung für das Verständnis von Lessings Konzeption der Toleranz, wird in der Studie eine ausführliche Betrachtung gewidmet: Mit Blick auf die gängige Lehrmeinung, der gemäß Lessing durch Nathans Dialogkunst demonstrierte, wie der ‘gute’ Mensch sprachlich bloß seiner ‘schlechten’ Hülle entkleidet und in seinem wahren Wesen ans Licht gebracht werden müsse, wird dabei die Frage nach den Grundlagen der entsprechenden Subjektskonzeption gestellt. Mittels welcher sprachlicher Setzungen schafft sich die Aufklärungspädagogik den Gegenstand von Erziehung selber, inwiefern schreibt sie dem Subjekt die entsprechende Metaphorik, die es als erziehbares Wesen bezeichnet, überhaupt erst ein? Wie entsteht, nach Maßgabe seines sprachlichen Ursprungs, jenes ‘Innen’ des Individuums, auf das die Erziehung ihre Strategien des Besserns anwendet? Lessing, so zeigt die Studie, gibt in Nathans Sprechpraxis und durch sie hindurch genau dieses Bild des besserungsfähigen Subjekts kritisch zu bedenken, indem er es als Sprachkonstrukt aufklärt: Die Toleranz jenes Sprechens, als dessen Resultat das Individuum erst hervorgeht, das berechtigt scheint, Toleranz einzufordern, steht im Drama zur Aufklärung an. Lessing überprüft zudem, dies das zweite Problemfeld der Untersuchung, nicht bloß die Voraussetzungen toleranten Sprechens und Handelns, sondern er bringt auch dasjenige zur Darstellung, was die entsprechende Praxis dem Subjekt an Verzichtleistung abfordert. Nicht preislos angeboten, dies erweist die eingehende Textanalyse, wird in Nathan der Weise die vielzitierte Vorurteilslosigkeit. – Daß durch diese zudem, so wie das Drama sie zeigt, an die Lesenden der Auftrag zum Versuch eines Verstehens ohne Vorurteil formuliert wird, ist, als Untersuchungsbefund, ein lektüretheoretischer Ertrag der Arbeit, in dem sich zugleich ihre methodologische Voraussetzung dargestellt findet. Der Autor Daniel Müller Nielaba (1961) studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte an der Universität Bern, wo er 1992 mit einer Studie zu Nietzsches Sprachkritik promovierte; Veröffentlichungen zur deutschen Literatur und Philosophie des 18. bis 20. Jahrhunderts, zur Literaturtheorie, sowie zu Problemen der Schweizer Literatur; zurzeit Privatdozent für neuere deutsche Literatur an der Universität Lausanne.

Zusätzliche Information

Gewicht0,466 kg
Größe15.5 × 23.5 cm (B × H)
Seiten290
Erscheinungsdatum01.01.2000
ISBN978-3-8260-1816-9   //   9783826018169
EinbandartKartoniert
SpracheDeutsch
VerlagKönigshausen & Neumann
Verlags-Code05/5108091

Autor*innen

Müller Nielaba, Daniel