Beschreibung
Textanfänge, insbesondere Romananfänge wurden bislang hauptsächlich unter Fragestellungen der Literaturwissenschaft untersucht. Dabei wurde die Frage, wo ein Buch beginnt in der Regel nicht gestellt, da ihre Antwort auf den ersten Blick banal erscheint. Wird aber die Vorgehensweise, mit der sich ein Leser seinem Buch nähert, genauer untersucht, so zeigt sich, daß dieser häufig zunächst den Titel überfliegt, den Umschlag bzw. das Titelblatt betrachtet, ein möglicherweise vorhandenes Vorwort und den Werkeingang liest, bevor er sich dem eigentlichen Text zuwendet. Deshalb lohnt sich eine detaillierte sprachwissenschaftliche Analyse sowohl des Textanfangs als auch der “paratextuellen Elemente” Titel, Titelblatt, Untertitel, Motto und Vorwort, die bereits Teile des Buchanfangs sind und mit dem “eigentlichen Textanfang” kooperieren. Anhand eines Textkorpus von fünfzig deutschen ‘Bildungsromanen’ aus der Zeit vom 18. bis zum 20 Jahrhundert wird einerseits gezeigt, wie sich die Paratextelemente Titel, Titelblatt, Untertitel, Motto und Vorwort im Laufe dieser Zeit verändert haben. Andererseits wird anhand von Einzelanalysen gezeigt, in welcher Beziehung die jeweiligen paratextuellen Elemente zum Textanfang stehen. Die ältesten untersuchten Texte datieren aus dem Jahr 1766 (Wieland, Agathon und Hermes Miß Fanny Wilkes), der jüngste, Der junge Mann von Botho Strauß, stammt aus dem Jahr 1984. Die Autorin Annette Retsch, geb. 1968 in Fulda, studierte an der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität in Würzburg und am Davidson College in North Carolina (USA) Germanistik und Anglistik. 1994 legte sie die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien ab und schloss ein Promotionsstudium in deutscher Sprachwissenschaft an. Seit 1999 ist sie Studienberaterin an der Universität Würzburg.