Beschreibung
Hermann Broch starb vor fünfzig Jahren im amerikanischen Exil. Seine schriftstellerische Schaffensperiode hatte nur zwei Jahrzehnte lang gedauert, aber in dieser relativ kurzen Zeit schrieb er ein Werk von erstaunlicher Vielfalt und Komplexität. Broch gehörte zu den wenigen Autoren seiner Generation, die nicht nur die zeitgenössische Literatur mitprägten, sondern die auch mit den gegenwärtigen Entwicklungen und Entdeckungen in Gebieten der Architektur, Malerei, Philosophie, Psychologie, Erkenntnistheorie, Mathematik und theoretischer Physik vertraut waren. Diese Kenntnisse brachte er in sein (als “polyhistorisch” verstandenes) dichterisches Werk ein. Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war die große Zeit des europäischen Romans, und dieser Gattung hat Broch mit den “Schlafwandlern”, der “Unbekannten Größe”, der “Verzauberung”, dem “Tod des Vergil” und den “Schuldlosen” neues Terrain erschlossen. Darüber hinaus war Broch ein literaturtheoretischer und kulturhistorischer Essayist ersten Ranges, dem wir so wirkungsmächtige Studien wie “Das Weltbild des Romans”, “Die mythische Erbschaft der Dichtung”, “James Joyce und die Gegenwart” und “Hofmannsthal und seine Zeit” verdanken. Schließlich war Broch einer der produktivsten Korrespondenzpartner unter den Schriftstellern; seine Briefe zeichnen sich durch politisches Urteilsvermögen, durch Unbestechlichkeit und Menschlichkeit aus. Paul Michael Lützeler, der Herausgeber der Kommentierten Werkausgabe Hermann Broch und sein Biograph, stellt in seinem neuen Buch in exemplarischen Studien das Romanwerk, die Essays und die Briefe des Autors vor. Sein Interesse gilt den Verbindungen zwischen moderner Architektur und modernem Roman am Beispiel der “Schlafwandler”, der Intention und Rezeption der “Verzauberung” und dem literarischen Intertext der Novellen. Brochs Essays werden von den Anfängen in der expressionistischen Zeitschrift “Der Brenner” bis zur letzten großen Studie “Hofmannsthal und seine Zeit” untersucht. Auch die Arbeiten zu Brochs Briefen umspannen drei Jahrzehnte: von den Liebesbriefen an Ea von Allesch über die Korrespondenz mit Volkmar von Zühlsdorff über Holocaust und deutsche Schuld bis zu den Diskussionen über Demokratie und Menschenrecht mit Hannah Arendt. So wird ein Eindruck von der interdisziplinären Spannweite und zeitkritischen Intensität des Brochschen Werkes vermittelt. Der Autor Paul Michael Lützeler ist Rosa May Distinguished University Professor in the Humanities an der Washington University in St. Louis, wo er ein European Studies Program und das Max Kade Center for Contemporary German Literature leitet. Als Herausgeber der Kommentierten Werkausgabe Hermann Broch und als dessen Biograph ist er mit dem Werk des Autors bestens vertraut. Er hat acht Bücher zur deutschen und europäischen Literatur von der Romantik bis zur Gegenwart geschrieben, ist Mitglied der Mainzer und der Düsseldorfer Akademie und des Deutschen P.E.N.-Zentrums. Beiträge in “DIE ZEIT”, “Neue Zürcher Zeitung”, “Neue Rundschau” und “Merkur”.