Beschreibung
Die Arbeit beginnt mit dem Nachweis, daß Eichendorff bei der Abfassung des Taugenichts einen Trivialroman seiner Zeit bis in Einzelheiten als Quelle benutzt hat. Die Frage, was er dazu an Neuem und Eigenem eingebracht haben könnte, führt auf Spuren, die in der bisherigen Forschung nur in Ansätzen genauer verfolgt wurden. Entscheidende Äußerungen Eichendorffs über die Merkmale der romantischen Dichtung werden – entgegen neueren rezeptionsästhetisch orientierten Interpretationsprinzipien – konsequent beim Wort genommen: Nach Eichendorffs Auffassung kann und soll die Dichtung gemäß dem “Grundsatz”, “daß Poesie nur durch Poesie rezensiert werden könne”, auch indirekt Kritik an anderer Dichtung enthalten. Und nach dem für ihn so wichtigen Verständnis vom “geistlichen” “Wesen” der wahren Dichtung liefern die mitlaufenden Aussagen auf der religiösen Ebene (in der Arbeit im Anschluß an die mittelalterliche Bedeutungslehre “Spiritualsinn” genannt) dafür die jeweiligen Bewertungen. Unter diesen Perspektiven wird in philologischer Kleinarbeit – bei der im einzelnen noch verschiedene weitere Quellen zu registrieren sind – der gesamte Taugenichts durchinterpretiert. Tatsächlich erweist sich die Erzählung zugleich als eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Literatur vom Ausgang des Mittelalters bis zum Ende der romantischen Epoche, einschließlich mehrerer Seitenblicke auf die französische Literatur der Aufklärung und eines Ausblicks in die Zukunft und einschließlich der eigenen dichterischen Entwicklung Eichendorffs. Ein Beispiel: Der Portier des Wiener Schlosses mit der “außerordentlich langen gebogenen kurfürstlichen Nase” und dem Auftreten “wie ein Staatsminister” erscheint danach zugleich als Gestalt Goethes und verkörpert in belustigender und bewegender Weise die ambivalente Einstellung Eichendorffs zu Goethes Person und Dichtung. Andere Interpretationen werden dadurch natürlich nicht ausgeschlossen; doch sollten sie den hier ermittelten Befunden nicht widersprechen. Dabei berücksichtigen die Beobachtungen von vornherein auch die übrigen Werke Eichendorffs. Die allgemeinen, übergreifenden Überlegungen und Einsichten zu seinem poetischen Verfahren und die Einzelanalysen zum Taugenichts können sich wechselseitig stützen. Und beim Blick auf Vergleichsbeispiele in den übrigen Werken werden auch dort einzelne Anspielungen und Bezüge im Sinne der “Rezension” bestimmter Autoren und Richtungen mit aufgedeckt; so bestätigt sich hier zum Beispiel die wichtige Rolle Brentanos für Eichendorff. Die Reichweite der Erkenntnisse mag nicht zuletzt das Motiv-Register am Schluß der Arbeit belegen: Es mag als Vorform zu einer Art Bedeutungs-Lexikon für Eichendorffs Bildersprache gelten. Der Autor Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie in Münster, Wien, Tübingen und Göttingen. Promotion in mittelalterlicher Geschichte an der Universität Münster und dort wissenschaftlicher Assistent. Inzwischen Gymnasiallehrer in Mittelfranken für Deutsch und Geschichte und Lehrbeauftragter für mittelhochdeutsche Sprache und Literatur an der Universität Würzburg.