Beschreibung
Am Mikrokosmos Jena zu Beginn des 20. Jahrhunderts lassen sich jene allgemeinen philosophischen und kulturellen Entwicklungen des Jahrhunderts freilegen und untersuchen, die das geistige Makroklima in Deutschland bestimmt haben. Hier lehrten Rudolf Eucken, Max Scheler und Eberhard Grisebach. In Gottlob Freges Vorlesungen erhielt Rudolf Carnap entscheidende philosophische Anregungen. Zugleich war Carnap in das lebensreformerische Milieu eingebunden, dem sich auch der Verleger Eugen Diederichs, der Philosoph und Pädagoge Hermann Nohl sowie die Mitglieder von Freistudentischer Jugend und Sera-Kreis verpflichtet fühlten. Im Jenaer “Tatklima” drängten gerade auch die Philosophen auf öffentliche Wirksamkeit. In den Krisenjahren nach dem ersten Weltkrieg entstanden philosophische Bünde, die bald überregionale Bedeutung in Deutschland erlangten. Bruno Bauch gründete die Deutsche Philosophische Gesellschaft, Rudolf Eucken wurde zur Leitfigur des nach ihm benannten Eucken-Bundes, der Neuhegelianer Max Wundt regte die Gründung der Gesellschaft Deutscher Staat an. Der Rechtsphilosoph C. A. Emge versuchte, das Weimarer Nietzsche-Archiv zum Propagandaforum für die Nazis umzufunktionieren. Kurzum: Die Wechselbeziehungen zwischen Philosophie und Gesellschaft inmitten der politischen Verwerfungen vom späten Kaiserreich über die Weimarer Republik bis in die Zeit des Nationalsozialismus lassen sich in exemplarischer Analyse an der Jenaer Konstellation analysieren. Der Herausgeber lehrt Philosophie an der Universität Jena