Beschreibung
Friedhof und Museum als “intendierte Erinnerungsräume” veranschaulichen in besonderem Maße die Tendenz des Gedächtnisses zur Verräumlichung. Sie zeichnen sich überdies durch ihre wechselseitige Bezogenheit aus, die sich mit den Nachtwachen des Bonaventura auf die Formel des Friedhofs als “Museum des Todes” und des Museum als “exhumiertem Friedhof” bringen läßt. Ausgangspunkt der komparatistischen Untersuchung literarischer Texte des 19. und 20. Jahrhunderts ist die – auf frühe Hochkulturen bezogene – Theorie des kulturellen Gedächtnisses von Jan Assmann. Sie wird für neuzeitliche Phänomene fruchtbar gemacht, indem die identitätsstiftende Funktion der räumlichen Anordnung von Gedächtnisinhalten, die Institutionalisierung und Instrumentalisierung von Selbst- und Fremdbildern untersucht werden. Es geraten die Übergänge und Überlagerungen von individuellem und kulturellem Gedächtnis in den Blick; die konventionellen Formen des Umgangs mit Erinnerung werden um das Spiel mit Gedächtnisinhalten und die Subversion ihres kanonischen Sinns erweitert. Dabei wird der Sonderstellung der jüdischen Kultur Rechnung getragen, die durch die Kongruenz nationaler und religiöser Identität einen Gegenpol zum Spektrum der Individualisierung, Politisierung und Ästhetisierung in der christlich-abendländischen Tradition bildet. Die Autorin Anne-Katrin Hillebrand studierte Germanistik, Anglistik und Hispanistik in Berlin und Göttingen. 1998 promovierte sie mit der vorliegenden Arbeit an der Georg-August-Universität Göttingen. Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung Göttingen.