Beschreibung
Wer erzählt, organisiert auf eine bestimmte Weise Zeit. Er schafft ein fiktionales Universum und richtet es eigens für ein Ereignis ein, und er verwendet die Sprache mitsamt ihren zahlreichen Zeitbezügen für ein solches Ereignen-Lassen. Was heißt also Erzählen? Und was unterscheidet den erzählenden Umgang mit der Zeit von anderen Verhältnissen, die wir zur Zeit eingehen und in denen uns die Zeit entsprechend erscheint? Was verrät uns das Erzählen über die Zeit, was wir aus anderen Zusammenhängen so nicht kennen? Kai van Eikels geht diesen Fragen zugleich literaturwissenschaftlich und philosophisch nach. Er führt Analysen erzählpoetischer Texte von Gertrude Stein bis zu Paul Ricoeur mit philosophischen Lektüren zusammen, die von Augustinus bis hin zur Heidegger und Derrida das poetische Potential der zeitlichen Differenz ergründen. Das Resultat ist die Skizze einer kybernetischen Lesart, die Erzählen als ein organisatorisches Differenzierungsvermögen, als Technik des Selben versteht. Wie diese Technik wirkt und auf wie verschiedenartige Weise ein Augenblick organisiert werden kann, wird durch Beispiellektüren einzelner Erzähltexte von E. A. Poe, Yukio Mishima und Henry James demonstriert und in einer ausführlichen Auseinandersetzung mit der Romanpoetik von Novalis und dem Heinrich von Ofterdingen reflektiert. Der Autor Kai van Eikels arbeitete nach seinem Studium der Regie, Germanistik und Philosophie an mehreren deutschen Bühnen. Er promovierte und lehrte in Hamburg. Im Anschluß an einen Forschungsaufenthalt in Tokyo lebt und arbeitet er zur Zeit in Berlin als Literaturwissenschaftler und wissenschaftlicher Berater der EU-Projektlinie “Mehrsprachiges Internet”. Veröffentlichungen zu Novalis, Heidegger und zur Zeitphilosophie.