Beschreibung
“Das Wort aber ist Fleisch geworden” – so predigt Andreas Hartknopf, der Protagonist von K. Ph. Moritz’ gleichnamigem Roman. Er spricht dabei u. a. von sich selbst als Personifikation seiner ,Lehre’. Das befremdet im Blick auf die Entstehungszeit des Werkes wie auf den Autor; auch der Untertitel des ersten Teils, “Eine Allegorie”, erscheint anachronistisch: Die Allegorie wurde im ausgehenden 18. Jahrhundert als Antipode des Symbols bestimmt und abgelehnt – Moritz reiht sich hier als Mitbegründer der Autonomieästhetik ein. Morgner zeigt, daß die “Allegorie” einen Beitrag zur Auseinandersetzung um Allegorie und Symbol leistet: In der Inkohärenz ihrer Sinnbilder, in der Pervertierung ihrer Praetexte (v. a. Christentum und Freimaurertum) sowie in den Polysemien ihrer sinnbildlichen Elemente und Strukturen konstituiert sich ,Sinn’ nicht mehr praetextuell, sondern aus textimmanenten Bezügen – dieser hermeneutische Paradigmenwechsel impliziert auch anthropologische und theologische Dimensionen. Anstelle des vierfachen Schriftsinns tritt in der “Allegorie” ein vielfacher, nicht eindeutig faßbarer. Indem und wie sie sich dabei der Sinnbildlichkeit bedient, demonstriert aber zugleich ein Ineinandergreifen von Allegorischem und Symbolischen, daß beider Differenzierung relativiert – und damit die Ablehnung der Allegorie durch den Autor der “Allegorie” selbst. Die Autorin Ulrike Morgner (geb. 1970) studierte an der Universität Bielefeld und der Kirchlichen Hochschule Bethel (Deutsch, Ev. Theologie, Philosophie, Pädagogik). Mit Unterstützung des Ev. Studienwerkes Villigst e. V. promovierte sie bei Prof. Dr. Wolfgang Braungart an der Universität Bielefeld im Fach Germanistik. Seit Sommer 2001 arbeitet sie in Hildesheim als Freie Literaturwissenschaftlerin und Studienreferendarin (Lehramt Gymnasium).