Beschreibung
Zum Andenken an den gemeinsamen Aufenthalt im christlich geprägten Naturheilsanatorium ,Justsche Kuranstalt Jungborn’ im Harz bekommt Kafka 1912 von einem Freund eine Bibel geschenkt – eine Lutherbibel. Diese Bibel ist für den Juden Franz Kafka nicht nur ein Reisesouvenir, sondern eine der zentralen Textgrundlagen für seine spätere Auseinandersetzung mit biblischen Mythen – insbesondere mit den jüdischen Mythen der Genesis, aber auch mit den christlichen in den Evangelien und in den Paulusbriefen. Anhand zahlreicher Textvergleiche, die neben der Lutherbibel Texte von Micha Josef bin Gorion, Ernst Troeltsch und Søren Kierkegaard berücksichtigen, wird in diesen Studien nachgezeichnet, auf welche Weise sich Kafka von den alten Texten hat inspirieren lassen, sie umgeschrieben hat, um sie zu verstehen, um sie zu kritisieren, aber auch, um sie zu aktualisieren, ihren Wert für die eigene Gegenwart zu hinterfragen und diesen gegebenenfalls neu zu bestimmen. Dabei wird deutlich, daß Lektüre und Schreibprozeß nicht voneinander zu trennende Formen einer Auseinandersetzung mit der Tradition darstellen, die als ambivalenter Prozeß von Abstoßung und Annäherung erscheint. So wird in diesen Studien ein Kafka sichtbar, der ein ausgeprägtes Gespür hat für die Problematik und die Überforderungen einer deontologischen Ethik, der seine Figuren jedoch aus der Pflicht, verantwortlich zu handeln, nicht entläßt. Der Autor Bertram Rohde, geboren 1969, studierte in Hamburg Germanistik, Schulmusik, Pädagogik und Philosophie. Mit der vorliegenden Arbeit promovierte er 2001 in Neuerer Deutscher Literatur an der Universität Hamburg. Zur Zeit Lehrtätigkeit an einem Hamburger Gymnasium.