Beschreibung
Böll und Grass galten lange als die gemeinsamen Begründer des modernen westdeutschen Nachkriegsromans. Tatsächlich müssen sie jedoch als literarische Antipoden begriffen werden. Hat “Die Blechtrommel” ihren festen Platz unter den modernen Romanen der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts, sind Bölls Romane der fünfziger Jahre dagegen nur noch gut gemeint. Das Phasen-Modell, in das die (west)deutsche Nachkriegsliteratur lange unterteilt wurde, hat den Blick auf die ästhetische Differenz der Nachkriegsromane verstellt. Denn folgt man der noch heute üblichen Periodisierung, gab es nach 1945 in Westdeutschland drei literarische Phasen: Die Kahlschlag- und Trümmerliteratur der ersten Nachkriegsjahre, den Anschluß an die klassische Moderne und schließlich den Wendepunkt des Jahres 1959. “Billard um halbzehn” und “Die Blechtrommel”, beide 1959 erschienen, markierten zwar nach dem Urteil der Zeitgenossen den Wiederanschluß an die moderne Weltliteratur. Tatsächlich kann an ihnen jedoch exemplarisch eine entgegengesetzte literarische Entwicklung nachgewiesen werden. Böll, Gaiser, Langgässer und Koeppen geben in ihren Romanen ebenso klare Identifikationsmuster wie Wertesysteme vor. Grass, Walser und auch der in Vergessenheit geratene Hans Werner Richter stehen dagegen für modernes Erzählen, für das die Distanzierung des Lesers und die Offenlegung der Fiktion charakteristisch sind. Neben den genannten Autoren behandelt das Buch Romane von Alfred Andersch und Luise Rinser. Die Autorin Ursula Knapp studierte Neuere Literaturwissenschaft, Mediävistik und Geschichte in Karlsruhe. Sie ist Journalistin und arbeitet seit 1981 für die Frankfurter Rundschau.