Beschreibung
In der jüdischen Geschichte gilt die mittelalterliche Kultur der Juden in Spanien als Zeit einer beispiellosen Blüte und eines unvergleichlich produktiven Zusammenlebens mit der nicht-jüdischen Bevölkerung. Die Ausweisung der Juden aus Spanien im Jahre 1492 beendete diese Epoche; sie war das traumatischste Erlebnis der nachbiblischen jüdischen Geschichte vor dem Holocaust des zwanzigsten Jahrhunderts. Statt blühender jüdischer Gemeinden entstand nun eine Bevölkerungsschicht, die als Marranen bekannt ist: zwangskonvertierte Juden, die heimlich und in ständiger Angst vor inquisitorischer Verfolgung ihrem ursprünglichen Glauben anhingen. Verschiedenen Auswanderungswellen dieser Marranen führten zur Etablierung ibero-jüdischer Gemeinden im östlichen Mittelmeerraum, aber auch in Amsterdam, das zum “neuen Jerusalem” Nordeuropas wurde. In der vorliegenden Studie wird das Iberienbild der deutsch-jüdischen historischen Literatur an folgenden Beispieltexten nachgezeichnet: Phöbus Philippson, Die Marannen (1837); Markus Lehmenn, Die Familie y Aguillar (1873); Hermann Sinsheimer, Maria Nunnez (1934); Lion Feuchtwanger, Die Jüdin von Toledo (1955); Robert Menasse, Die Vertreibung aus der Hölle (2001). Ausblicke erfolgen auf verschiedenen andere Werke, so Else Lasker-Schülers Wunderrabbiner von Barcelona und Robert Neumanns Exilroman An den Wassern von Babylon. Als Kontextualisierungsangebote runden Überlegungen zur Gattungstradition des historischen Erzählens im Zusammenhang der deutsch-jüdischen Identitätsgeschichte und zum Problemkomplex Modernisierung und Erinnerung die Studie ab. Der Autor Florian Krobb, Dr. phil., Studium der Geschichte und Germanistik in Göttingen, seit 1991 Dozent am Department of German der National University of Ireland, Maynooth. Seit 1999 Head of Department. Bei K&N erschienen: Selbstdarstellungen. Untersuchungen zur deutsch-jüdischen Erzählliteratur im neunzehnten Jahrhundert, 2000