Beschreibung
Johann Heinrich Voß hat 1781 bis 1785, nach Abschluß der Arbeiten an der ersten Fassung seiner deutschen Odyssee, eine Übersetzung von Antoine Gallands Werk «Les mille et une nuit» in sechs Bänden vorgelegt. Er selbst hat sie später kaum mehr erwähnt, und die Voß-Forschung hat sie als unbedeutende «Brotarbeit» abgetan, wenn nicht ignoriert. Dabei war sie das einzige Werk erzählender Prosa, das Voß jemals veröffentlicht hat. Der Verfasser bietet eine knappe Einführung in das Gallandsche Werk und seine Wirkung und analysiert dann zum ersten Mal die Voß’sche Übersetzung. Sie verrät eine vortreffliche Kenntnis der französischen Sprache, eine nicht gewöhnliche Begabung zur Übersetzung von Prosatexten und eine bemerkenswerte Fähigkeit zu erzählen. Der Autor, der als Übersetzer von Werken der griechischen und römischen Literatur, vor allem der Epen Homers, als Verfasser von Idyllen und als unerbittlicher Polemiker in das kulturelle Gedächtnis eingegangen ist, hätte es verdient – so das Fazit – , daß man seine Galland-Übersetzung in diese Erinnerung aufnähme. Warum hat schon Voß die Übersetzung bald «vergessen», hat die Forschung sie mißachtet? Dieser Frage gilt das letzte Kapitel des Buches. Dabei eröffnet sich ein neuer Blick auf die Orientrezeption in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts. Der Autor Ernst-Peter Wieckenberg, geb. 1935, Dr. phil., studierte Germanistik und Romanistik in Göttingen und Nancy. Er war bis 2000 Verlagslektor und beschäftigt sich seit längerem vornehmlich mit der deutschen Literatur der Spätaufklärung.