Beschreibung
Wenn wir ,Zeit’ sagen, dann denken wir wohl meist daran, daß etwas vergeht. Gleichwohl können wir uns vermöge unseres Gedächtnisses an das Vergangene auch erinnern, und Traditionen zeichnen sich gerade dadurch aus, daß sie Überliefertes über die Zeit bringen. In der ,Zeit’ haben wir daher vor allem eine für die Konstitution nicht weniger als für die Konservation von Sinn entscheidende Dimension anzuerkennen. Auf dieses doppelte Wesen der Zeit haben im 20. Jahrhundert besonders die Phänomenologen Edmund Husserl und Martin Heidegger aufmerksam gemacht. Ist es für Husserl das zeitliche Erleben des Bewußtseins, das jedem gegenständlichen Sinn eine spezifische Zeitgestalt verleiht, so fragt Heidegger hinter die jeweils lebendige Gegenwart zurück nach dem vorgängigen Verständnis des Kontextes, in dem wir etwas erleben – es ist demzufolge primär dieses Verstehen, und nicht das einzelne Erlebnis, das zeitlich orientiert ist. Außerhalb der phänomenologischen Schule und doch in einer gewissen geistigen Nähe zu einigen ihrer Denker steht Ernst Bloch mit seinem Versuch, die Welt insgesamt als ein Zeitexperiment zu betrachten, welches die unterbestimmte Wirklichkeit in einem geschichtlichen Prozeß weiter zu bestimmen versucht. Die vorliegende Arbeit zeigt, daß Husserl, Heidegger und Bloch den Sinn dessen, was ist, war und sein wird, radikal aus der Zeit begreifen, wobei die Zeit auf ein Medium verweist, das Sinn einerseits – erlebend, verstehend oder experimentierend – verfügbar macht, dem jedoch andererseits gerade diese Verfügungsgewalt selbst unverfügbar bleibt: ohne ein zeitigendes Subjekt vermag die Zeit weder, Sinn zu bilden noch zu bewahren – ohne die Zeit aber währt auch kein Subjekt. Der Autor Ralf Becker, Jahrgang 1975, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Philosophischen Forschungsinstitut für Medien und Kultur und Lehrbeauftragter im Fach Philosophie an der Universität Trier.