Beschreibung
Die vorliegende Arbeit untersucht das Werden des literarischen Textes im Lichte seiner ihm vorausgehenden Arbeitshandschriften. Anhand des letzten Romans der russisch-französischen Schriftstellerin Elsa Triolet (1896-1970), Le Rossignol se tait à l’aube, läßt sich der Zusammenhang zwischen Leben und Schreiben, zwischen autobiographischem Material und seiner Um-Schreibung im fiktionalen Text in seiner Vielschichtigkeit beobachten. Das in den Manuskripten festgehaltene Schreibgeschehen wird dabei nicht nur in seiner Struktur vorgestellt, sondern auch in Beziehung gesetzt zu weiteren textlichen Quellen, die in den Schreibprozeß einfließen (Tagebuchaufzeichnungen und Briefe, die vorausgehenden Romane, und nicht zuletzt das Werk ihres Mannes und Schriftstellerkollegen Louis Aragon). So ergibt sich ein komplexes Bild ineinanderlaufender Schreibstränge, welche die Arbeitshandschriften als einen Ort sprachlicher Selbstkonstituierung erkennen lassen, ein Ort, an dem schreibendes und geschriebenes Ich, produzierende Instanz und entstehender Text sich permanent im Dialog miteinander entwickeln. Das Schreiben von Elsa Triolet, die die „fremde“ Sprache, die Sprache ihrer Wahlheimat Frankreich, wählt, die immer wieder mit ihrer Rolle als Frau und Muse Aragons konfrontiert ist, dreht sich in diesem letzten Werk noch einmal intensiv um ein Auflösen fremder und eigener Festschreibungen, um ein rück- und vorwärts gewandtes Überschreiben des eigenen Ich. So entsteht keine Autobiographie, sondern eine spezifische Art autobiographischer Fiktion, welche „die Schwierigkeit, Ich zu sagen“ (Christa Wolf) durch das Sagen eines anderen Ich zu lösen versucht. Die Autorin Susanne Ditschler, Studium der Germanistik und Romanistik in Tübingen, Toulouse, Berlin und Freiburg. Lebt und arbeitet seit 1994 in Paris.