Beschreibung
In der umfangreichen Forschungsliteratur über Gottfried Benn fehlt fast nie ein Hinweis auf den ärztlichen Beruf des Dichters. Erstaunlicherweise wird diesem Sachverhalt in der Regel weit weniger Bedeutung beigemessen als der Herkunft Benns aus einem protestantischen Pfarrhaus. Nur selten erfahren medizinische und naturwissenschaftliche Referenzen nähere Betrachtung; mitunter wird auf die Bedeutung medizinischer Metaphern für die literarische Sprache Benns verwiesen. Die vorgelegte Studie versucht eine systematische wissenschaftsgeschichtliche Rekonstruktion der medizinischen und naturwissenschaftlichen „Subtexte“ des Bennschen Œuvres und erhärtet mit reichem wissenschaftsgeschichtlichen Quellenmaterial die Forschungsthese, dass sich in seinem gesamten Werk – von den expressionistischen Anfängen bis in die späte Prosa hinein – pointierte gehirnanatomisch-anthropologische Konzepte und Argumentationslinien nachweisen lassen, deren Bedeutung keinesfalls auf eine Art „Metaphernreservoir“ einschränkbar ist. Sie ermöglichen vielmehr eine Reflexion seiner Dichtung, die der Kunst eine Neubegründung auf der Basis zeitgenössischer Physiologie und Anthropologie zu geben weiß. Die Autorin studierte Literaturwissenschaft, Architektur, Kunstgeschichte und Philosophie in Dortmund und Bochum.