Beschreibung
Der Band untersucht den Zusammenhang von Erinnerungspoetik, Sprachphilosophie und Identitätskonzeption in Walter Benjamins autobiographischem Text. Die Erinnerungsbilder der “Berliner Kindheit um neunzehnhundert” werden durch die Verbindung der antiken Mnemotechnik mit psychoanalytischen Gedächtnismodellen als topographisch strukturierte Schrifträume lesbar. Deren Oszillieren zwischen Materialität und Semantik erlaubt die Anbindung an Benjamins sprachphilosophische Überlegungen zur “entstellten Ähnlichkeit” sowie die Verbindung mit einem erinnerungspoetischen Entwurf des Selbst, der die Logik eines rein repräsentativen Zeichenbegriffs durchbricht. Die “vor Ähnlichkeit entstellte Gedächtnisschrift” läßt ein sprachliches Ich entstehen, das sich über die flüchtige zeitliche und räumliche Anverwandlung an das Fremde konstituiert und auf diese Weise die identifizierende Logik stabiler Identitätsbildung unterläuft. An die Stelle einer narrativer Identitätskonstitution durch retrospektive Totalisierung im Erinnerungsprozeß treten vielfach korrespondierende Gedächtnisräume und -medien, die das Verhältnis von Selbst, Leben und Graphé als differentielles Spiel entfalten. Die Autorin Anja Lemke arbeitete nach der Promotion als wiss. Mitarbeit am Hamburger Institut für Sozialforschung und am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen. Sie ist zur Zeit wiss. Koordinatorin des Graduiertenkollegs »Zeiterfahrung und ästhetische Wahrnehmung« und Lehrbeauftragte am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt/M. Veröffentlichungen u.a.: Neben zahlreichen Publikationen erschien bei K&N bereits von ihr gemeinsam mit M. Schierbaum (Hgg.): »In die Höhe fallen«. Grenzgänge zwischen Literatur und Philosophie, Würzburg: K&N 2000