Beschreibung
Das vorliegende Buch widmet sich den beiden Mythenadaptionen unter dem Aspekt des systematischen Vergleichs der darin ausgearbeiteten Utopieentwürfe. Es wird die Frage nach den inhaltlichen Unterschieden in Darstellung und Beurteilung der Entwürfe aufgeworfen, nach Unterschieden, die der Leser von Werken, welche als reflektierende Reaktion auf gesellschaftlich und politisch gänzlich andersartige Verhältnisse entstanden, in großem Umfang zu finden erwartet. Macht sich, so die sich aufdrängende Frage, in Medea im Gegensatz zu Kassandra ein Utopieverlust bemerkbar? Die Autoren vertreten in ihrer Studie die These, dass die utopische Vorstellung von einem besseren, humanen Staat in Medea weiterhin, wie schon in Kassandra, einem destruktiven patriarchalen entgegengestellt wird. Im Unterschied zu dem 1983 veröffentlichten Monolog schätzt Christa Wolf in ihrem Nachwendewerk jedoch die Chancen für eine Realisierung der in den beiden Prosastücken entworfenen gesellschaftlichen Alternativen sehr pessimistisch ein. So werden im polyperspektivischen Monolog Medea zwar die bereits aus Kassandra bekannten utopischen Elemente erneut aufgegriffen und an Charakterzügen einzelner Figuren aufgezeigt, allerdings beherrscht der Zweifel daran, ob es zu irgendeiner Zeit gelingen kann, größere Gruppen von Menschen davon zu überzeugen, die Utopievorstellungen anzunehmen und umzusetzen, den Grundtenor der Wolf’schen Mythenadaption nach der Wende.