Beschreibung
In seinem 1915 erschienenen Roman Tropen erzählt Robert Müller mit expressiver Wucht eine Expedition in den Dschungel des Amazonas. Dass sich bald ein doppelter Boden öffnet, welcher der als faktisch inszenierten Reise eine symbolische Dimension verleiht, wird schnell ersichtlich, handelt es sich doch auch um eine anthropologische Selbsterkundung des Menschen, der den ‚Dschungel der eigenen Herkunft’ zu erforschen beginnt. Der ästhetische Mensch als Schöpfer neuer Realitäten ist das progressive Ideal seines auf ständige Selbstüberschreitung zielenden Menschenbildes, schriftstellerischen und aktivistischen Strebens. Dieser anthropologische Entwurf resultiert aus einer ästhetischen Weltanschauung, die in eine Epistemologie und Poetologie des Schöpferischen mündet. Durch Paradoxien und Verrätselungen, die mit methodischer Raffinesse angelegt sind, aktiviert Müller den Leser zu Ergänzungen und schöpferischen Entfächerungen seiner Texte im Reich der Imagination. Kreative Phantasie und Wahrheit verschmelzen in einer im gleichen Maß spekulativen wie faszinierenden Erkenntnislehre, die sich im Begriff des Phantoplasmas verdichtet. Der Autor Robert Müller (1887-1924), der lange Zeit in den Schatten der Vergessenheit geraten war, erlebt mittlerweile seine Auferstehung. Bei Kennern hat er nunmehr 80 Jahre nach seinem Tod seinen Platz in der Reihe neben literarischen Größen wie Musil, Döblin oder Broch wiedererlangt – zu Recht, zählen seine Werke doch zum Spannendsten und Anregendsten der deutschsprachigen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts. Der Autor Christian Liederer, Jahrgang 1974. Studium der deutschen Literaturgeschichte und Sprachwissenschaft, Soziologie und Psychologie an der Universität Würzburg. Zahlreiche Veröffentlichungen als Journalist bei verschiedenen Printmedien.