Beschreibung
Die Amazone: Kriegerin der Antike, erschreckend schöne Männerphantasie, Kämpferin gegen Männergewalt und hollywoodtaugliche Actionheldin. In ihrem Bild verschränken sich Mythos und Gegenwart. Amazonen sind ein bevorzugtes Motiv der Antikenrezeption. Sie wurden in der griechischen Antike auf Vasen abgebildet und bevölkern üppige Schlachtengemälde des 19. Jahrhunderts. An den Geschichten über sie fasziniert die implizite Überkreuzung herkömmlicher Geschlechtertypologien. Die Amazonen haben, einer falschen Etymologie der Antike zufolge, die Negation des Weiblichen vollzogen, indem sie sich eine Brust abnahmen, um so fähig zu werden zu kriegerischem Kampf. Sie geben damit auf, sagt das Bild, was ihnen ontologisch zugewiesen wurde: die ‚nährende Seite eines behütenden Muttertums‘. Aber gerade in dieser Inversion bekräftigen und fixieren sie Rollenbilder, so eine Hypothese. Gegenstand des Bandes ist einerseits die Rekonstruktion angeblicher Reiche der Amazonen, Vermutungen also über deren realgeschichtliche Existenz, wie Sie etwa Johann Jakob Bachofen in seiner weithin wirkenden Schrift Das Mutterrecht anstellte. Andererseits interessieren die medialen Umsetzungen dieser sagenhaften kriegerischen Frauen in je verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten. Man begegnet ihnen in der hohen Literatur (Penthesilea, Kassandra) und im modernen Actionkino (Nikita, Catwoman), im Fantasy-Film (Red Sonja, Hundra) und im Fernsehen (Xena) oder Computerspiel (Lara Croft), auch wenn sie dort andere Namen tragen. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist das Stück von Stefan Schütz, Die Amazonen, und seine Realisation am Bremer Theater unter der Regie von Konstanze Lauterbach. Der Text von 1974, noch in der DDR entstanden, gibt sich als radikale Kritik patriarchaler Machtkonstellationen und kapitalistischer Subjektzurichtung. Der vorliegende Band bringt deshalb auch die Bremer Strichfassung und Anmerkungen zur körperbetonten Inszenierung. U. Franke-Penski / H.-P. Preußer: Einleitung – I. Amazonen – Aktualität und Mythos – B. Wagner-Hasel: Amazonen – Ursprünge eines antiken Mythos – H.-P. Preußer: Der Mythos der Amazonen. Eine männliche Konstruktion und ihre feministischen Fehldeutungen – A. Runte: Liebeskriege. Zum Amazonenmythos in Heinrich von Kleists Trauerspiel Penthesilea – F. Rétif: Fortschreitende Dekonstruktion des Amazonenmythos zwischen dem 19. und dem 21. Jahrhundert am Beispiel von Kleist, Gracq, Wolf und Jelinek – M. Karsch: Anti-Amazonen? Irmgard Keuns Erzählung Nur noch Frauen – U. Franke-Penski: „Faster, Pussycat, Kill!“ Amazonen im modernen Action-Film – II. Stefan Schütz: Die Amazonen – S. Schütz: Wie ich zu den Amazonen kam – S. Schütz: Die Amazonen. Theaterstück [1974]. Strichfassung des Bremer Theaters. Inszenierung Konstanze Lauterbach – C. Richter Nilsson: Choreografie der Körper. Zu den Amazonen am Bremer Theater 2007 – W. Schulze-Reimpell: Verbannt in die Katakomben der Literaturgeschichte? Stefan Schütz in Ost und West – Biobibliografische Notiz zu den Autorinnen und Autoren des Bandes Die Herausgeber Udo Franke-Penski, Studium der Germanistik, Anglistik und Geschichte in Bremen. Seit 2004 Lehrbeauftragter und Wiss. Mitarbeiter an der Universität Bremen für Neuere deutsche Literatur und Medienwissenschaft. Mitglied des Instituts für kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien (IfkuD) ebd. Derzeit, in Vertretung einer Professur, Lehre an der Universität Leiden, NL. Heinz-Peter Preußer, Studium der Neueren deutschen Literatur, der Linguistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Wiss. Mitarbeiter ebd., Wiss. Assistent an der Universität Osnabrück. Seit 2004 Juniorprofessor für Neuere und neueste Literaturgeschichte, Literaturtheorie an der Universität Bremen. Leiter des Instituts für kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien (IfkuD) ebd.