Beschreibung
Seit Ende des 18. Jahrhunderts ist die Vorstellung einer angeblich aus der romanischen Tradition übernommenen Gattungsform entstanden, für deren Bezeichnung der Begriff „Novelle“ in Umlauf gebracht wurde. Trotz ihrer allgemeinen Anerkennung als bedeutendster Erzählform der deutschsprachigen Literatur hat sich die Novelle einer Beschreibung ihrer distinktiven Merkmale immer wieder versagt. Der vorliegenden Untersuchung liegt die Hypothese zugrunde, dass der Fall der Novelle keine unbequeme Ausnahme in der Geschichte der literarischen Gattungen bildet, sondern vielmehr auf eine zentrale Frage der gegenwärtigen Komparatistik verweist: die Frage der Beziehungen zwischen Einzeltext und Gattungsbezeichnung. Im Gegensatz zu überkommenen Auffassungen sind diese Beziehungen alles andere als homogen. Während andere Gattungsbezeichnungen – wie etwa der Schelmenroman oder die Kriminalerzählung – auf ein Bündel von Eigenschaften abheben, die als Textmarken in Erscheinung treten, nimmt der Begriff „Novelle“ Bezug auf ein ideales Modell, eine Abstraktion, die in der Konkretion des Textes keine vollständige Realisierung findet. Diese Feststellung wirft jedoch eine Reihe von bisher nicht gestellten Fragen auf, die sowohl die Historizität der Novelle als Gattungsform wie auch die Gebrauchsbedingungen des Gattungsbegriffes betreffen. Der Autor Germán Garrido Miñambres, Studium der deutschen und spanischen Philologie in Barcelona. Seit 2006 ist er als Dozent für Deutsche Literatur an der Universität Barcelona tätig. 2008 ist seine Übersetzung von Aus dem Leben eines Taugenichts als kritische Ausgabe erschienen.