Beschreibung
Die ungleichen Brüder Karl und Franz, die in Schillers Drama auf unterschiedliche Weise um die Loslösung vom Überkommenen wie auch um Macht und Anerkennung ringen, werden in Nicolas Stemanns Inszenierung in einer Multiplizierung von Rollen zur Gruppe transformiert. Vier Schauspieler bilden einen furiosen Räuberchor, der im gleitenden Wechsel der Rollentexte die Kraft von Schillers Sprache entfesselt. Zugleich figurieren sie eine Brüderbande, die mit einem identifizierenden Denken, das der Konstruktion von Entgegensetzungen bedarf, nicht zu fassen ist. In einem Stimmenoratorium werden die Figuren zu Emanationen psychischer Regungen und politischer Reaktionsweisen oder auch als Zurückgewiesene und Traumatisierte erkennbar. Stemanns post-protagonistisches Konzept, bei dem durch multiple Stimmgebung neue Deutungsdimensionen entbunden werden, erweist sich so auf überraschende Weise als werkgetreue Inszenierung des O. Gutjahr: Identitätsrivalitäten. Inszenierungskonzepte in Friedrich Schillers Die Räuber – E. Osterkamp: „Ganze Menschen hinzustellen“. Friedrich Schillers anthropologisches Theater – H.-Th. Lehmann: Die Meute, die Brüder und das Tragische. Anmerkungen zu Schillers Die Räuber heute – P.-A. Alt: „Sympathie mit dem Bösen“. Satanismus in Schillers Die Räuber – M. Springer: Wohin mit Herrmann? Vom Verschwinden einer Figur in Schillers Räubern und in der Braut in Trauer, dem Fragment einer Fortsetzung – C. Lubkoll: „Der verlorene Sohn oder die umgeschmolzenen Räuber“. Schillers Drama zwischen antikischem Abgrund und biblischer Versöhnung – Gespräch mit Nicolas Stemann.