Beschreibung
Vor dem Hintergrund eines Theoriedesigns, das die von Günter Abel im Anschluss an Nietzsche entwickelte Interpretationsphilosophie mit der Lacan’schen Psychoanalyse verbindet, zeigt die vorliegende Arbeit, dass der eigenwillige Zugriff des jungen Brecht auf Nietzsches Denken durch das Zusammenspiel von Interpretationismus, Ideologiekritik und Kynismus charakterisiert ist. In Anlehnung an Nietzsches perspektivische Interpretationsphilosophie betrachtet Brecht im Frühwerk die zeitgenössische Literatur und das Wagner’sche Gesamtkunstwerk als Ausdruck einer dekadenten Kultur, die metaphysische Denkfiguren restauriere, um die nihilistische Angst vor einem sinn-, zweck und ziellosen Universum zu verdrängen. Als zentralen Mechanismus der ideologischen Dekadenzkunst identifiziert er – wie später Louis Althusser – den Vorgang der „Anrufung“, der konkrete Individuen in Subjekte transformiert, die in einem imaginären Welt- und Selbstbezug befangen sind. Um dieses imaginäre Weltverhältnis aufzubrechen, stützt sich Brecht in Anlehnung an Nietzsche auf kynische Schreibstrategien, die sich durch eine Spannung zwischen einem satirisch-entlarvenden Lachimpuls und moralischer Aufklärung auszeichnen.
Der Autor Hans-Joachim Schott promovierte als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes mit einer Arbeit über Brecht an der Universität Bamberg.