Beschreibung
“Religion ist Privatsache und sie zu rauben keine größere Gewalttat, als sie aufzuzwingen.” schreibt Heinrich Margulies (1890-1989) in seiner ,Kritik des Zionismus’, die 1920 bei Löwit in Berlin und Wien erschien. Margulies stammte aus Kattowitz und lebte bis zu seiner Einwanderung nach Palästina im Jahr 1925 in Breslau, Berlin, Leipzig, Wien und Mailand und fiel in der zionistischen Bewegung früh durch sein leidenschaftliches Plädoyer für einen säkularen jüdischen Staat auf. Als Nationalökonom und späteres Direktoriumsmitglied der israelischen Nationalbank wies er auch immer wieder auf die Notwendigkeit wirtschaftlicher Konzepte für das zionistische Projekt hin. Er entwarf mit seiner ,Kritik des Zionismus’ ein aufgeklärtes Staats- und Gesellschaftsmodell, das den damaligen Tendenzen im deutschsprachigen Zionismus entgegentrat, Nationalismus und Mystizismus zu verbinden – und bezog damit Position gegen den jungen Martin Buber und seine Anhänger. Die Biographie von Heinrich Margulies, die hiermit erstmals vorliegt, spiegelt die weiterhin unbeantworteten Fragen nach dem Selbstverständnis des Staates Israel wider. Margulies plädierte für einen säkularen jüdischen (Vielvölker-)Staat in Palästina – und eine Koexistenz mit der arabischen Bevölkerung, und vertrat damit einen ungewöhnlichen, umstrittenen und letztlich hochaktuellen Ansatz in der Diskussion um das Selbstverständnis und die Verfasstheit des jüdischen Staates.
Die Autorin Vera Regine Röhl ist Sozial- und Geisteswissenschaftlerin und lebt in Berlin. Sie hat an der Universität Potsdam Jüdische Studien und Politikwissenschaft studiert und legt hier ihre Dissertationsschrift vor, die sie im Oktober 2013 an der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam erfolgreich verteidigte.